2.2.3.2.1 Grundsatz

 

Rz. 43

Inhaltlich erfordert die "Selbstanzeige" eine Darstellung der Besteuerungsgrundlagen (Rz. 40). Diese Darstellung muss soweit konkretisiert sein, dass es der Finanzbehörde möglich ist, das Besteuerungsverfahren (Rz. 10) aufgrund dieser Angaben durchzuführen (Rz. 47). Genügen die Angaben diesen Anforderungen nicht[1], so liegt nur die strafrechtlich unbeachtliche "Ankündigung" einer "Selbstanzeige" (Rz. 48) vor.

 

Rz. 44

Für die Rechtswirksamkeit der "Selbstanzeige" kommt es allein darauf an, dass der Finanzbehörde der Beginn oder die Fortführung des Besteuerungsverfahrens ermöglicht wird. Nicht erforderlich ist, dass die Finanzbehörde auch tatsächlich die Steuerfestsetzung bzw. deren Korrektur aufgrund der "Selbstanzeige" vornimmt[2].

 
Praxis-Beispiel

A hat die USt-Voranmeldungen 1/07 und 5/07 wissentlich falsch abgegeben. Im Dezember 2007 korrigiert er die falschen Erklärungen. Das FA will die einzelnen Festsetzungen nicht berichtigen, sondern den Eingang der USt-Jahreserklärung abwarten.

Dieses Verhalten des FA berührt die Wirksamkeit der "Selbstanzeige" nicht.

Unschädlich ist auch, dass die Finanzbehörde vor der Durchführung der Steuerfestsetzung in strafrechtliche Ermittlungen hinsichtlich der Richtigkeit der "Selbstanzeige" eintritt[3].

 

Rz. 45

Durch die "Selbstanzeigeerklärung" sollen die "richtigen" Besteuerungsgrundlagen aufgedeckt werden. Bei der Steuerhinterziehung durch die Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen (§ 370 AO Rz. 50) muss die Korrektur nur die Angaben betreffen, auf die sich die Steuererklärungspflicht inhaltlich erstreckt (Rz. 40). Soweit also die Tat durch Angabe falscher Zahlen als Besteuerungsgrundlage begangen wurde, muss die "Selbstanzeigeerklärung" regelmäßig in der Lieferung eines neuen Zahlenwerks bestehen[4].

 

Rz. 46

Als "Selbstanzeigeerklärung" reichen unter dem Erfordernis der Materiallieferung demgemäß nicht:

  • die einfache Erklärung, "Selbstanzeige" zu erstatten, ohne weitere Angaben[5];
  • die stillschweigende Nachzahlung[6];
  • der Hinweis, dass bestimmte Angaben unrichtig seien[7];
  • die Ankündigung der späteren Berichtigung (Rz. 48);
  • die Erklärung, dass bestimmte Beträge nachaktiviert würden[8];
  • die Aufforderung an die Finanzbehörde, sich das Material an bestimmter Stelle zu beschaffen, etwa bei der Bank die Kapitalerträge;
  • die Aufforderung an die Finanzbehörde, sich das Material durch Vornahme sonstiger steuerlicher Ermittlungen (Rz. 47), etwa einer Betriebsprüfung[9];
  • die bereitwillige Überlassung der Buchführungsunterlagen zur Außenprüfung[10];
  • das Anerkenntnis eines Ermittlungsergebnisses der Finanzbehörde, z. B. des Betriebsprüfungsergebnisses[11];
  • die kommentarlose Auflösung einer zum Zweck der Gewinnverlagerung gebildeten unberechtigten Rückstellung in einem Folgejahr[12].
 

Rz. 47

Der "Selbstanzeigende" muss die Angaben über die "richtigen" Besteuerungsgrundlagen derart konkretisieren, dass die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung ohne langwierige eigene Nachforschungen durchführen kann[13]. Der Finanzbehörde muss der unverzügliche Beginn des Steuerfestsetzungsverfahrens ermöglicht werden (Rz. 44). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Finanzbehörde für die Durchführung der Steuerfestsetzung von der weiteren gutwilligen Mithilfebereitschaft des "Selbstanzeigenden" abhängig ist[14].

Da aber der "Selbstanzeigende" nicht mehr liefern muss als bei der von vornherein ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten (Rz. 40), ist es für den Eintritt der Rechtswirkungen der "Selbstanzeige" unschädlich, wenn veranlagungsübliche Maßnahmen der Finanzbehörde noch durchgeführt werden müssen, etwa die Hinzuziehung von Steuerakten oder z. B. bei der ESt-Veranlagung Nachfragen zum Familienstand[15]. Wesentlich ist, dass die Besteuerungsgrundlagen genannt sind; das Fehlen sonstiger Angaben, die ohne Schwierigkeiten von der Finanzbehörde nachgefragt werden können oder deren Nichtberücksichtigung nur zum Nachteil für den "Selbstanzeigenden" ist, ist unerheblich[16].

[1] BGH v. 20.5.2010, 1 StR 577/09, BFH/NV 2010, 1595 Rz. 36 strenger Maßstab; s. hierzu Rz. 3a.
[2] Rz. 10; s. auch FG Bremen v. 7.9.2006, 1 K 69/06 (6), EFG 2006, 1883.
[3] Rz. 11, 44; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 53.
[4] OLG Hamburg v. 2.6.1992, 1 Ss 119/91, wistra 1993, 274; Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 19. Aufl. 2008, § 371 AO, § 371 Rz. 5; Jäger, in Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 18; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 49, sofern nicht allein durch die Darstellung des Fehlverhaltens die Finanzbehörde die falschen Veranlagungen korrigieren kann, vgl. für die unberechtigte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs BGH v. 5.5.2004, 5 StR 548/03, wistra 2004, 309.
[5] Henneberg, INF 1972, 493.
[6] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 74 m. w. N.; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 63.
[7] LG Hamburg v. 18.6.1988, (50) 117/86 NS, wistra 1988, 120.
[8] BGH v. 20.7.19...

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