2.3.2.1 Grundlagen
Rz. 169
In der Praxis bildet – neben dem Ankauf von Datenträgern – die Ankündigung von steuerlichen Prüfungen durch die Finanzbehörde den Hauptgrund für die Abgabe einer Selbstanzeigeerklärung. Deshalb hat die Gesetzesänderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (Rz. 2) im Jahr 2011 die Ausschlussgründe für die Selbstanzeige um diese Sachverhaltskonstellation erweitert. Hierdurch soll letztlich die Entscheidung zur "Rückkehr zur Steuerehrlichkeit" von der vermeintlichen "Entdeckungsgefahr" gelöst und die Ausschlusswirkung vorverlagert werden, um der "Freiwilligkeit" mehr Gewicht zu verleihen.
Rz. 170
Durch die Einführung des Ausschlussgrundes des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO steht dem Stpfl. der Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und dem Prüfungsbeginn nicht mehr zur Korrektur unrichtiger Angaben zur Verfügung. Folglich wurde der frühere gesetzliche Regelfall der Sperre der Selbstanzeige durch das persönliche Erscheinen eines Amtsträgers i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO durch die Gesetzesänderung zur Ausnahme, da er i. d. R. zeitlich der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO nachgelagert ist.
2.3.2.2 Prüfungsanordnung nach § 196 AO
Rz. 171
Die Außenprüfung dient nach § 194 Abs. 1 S. 1 AO der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Stpfl., also dessen, der die Außenprüfung zu dulden hat. Die schriftliche Prüfungsanordnung nach § 196 AO bestimmt den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Prüfungsumfang einer Außenprüfung i. S. d. §§ 193, 194 AO. Im Hinblick auf den Umfang der Ausschlusswirkung sind allerdings die sich aus der Regelung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO ergebenden Besonderheiten zu berücksichtigen (Rz. 181).
Rz. 172
Die Prüfungsanordnung muss gem. § 196 AO schriftlich erfolgen, eine mündliche Prüfungsanordnung ist wegen Formmangels unwirksam. Dies gilt durch den Verweis auf § 196 AO auch im Hinblick auf die Ausschlusswirkung gem. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO. Die Ausschlusswirkung tritt auch bei Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung ein, wenn diese rechtsfehlerhaft ist und im Einspruchsverfahren bzw. im finanzgerichtlichen Verfahren aufgehoben wird. Sie tritt dagegen nicht bei Nichtigkeit der Prüfungsanordnung gem. § 125 AO ein.
2.3.2.3 Bekanntgabe der Prüfungsanordnung
Rz. 173
Die Ausschlusswirkung tritt nach dem Gesetzeswortlaut ein, sobald die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erfolgt ist. Die Wahl des Bekanntgabezeitpunktes statt z. B. der Absendung der Prüfungsanordnung oder der – auch mündlichen – Ankündigung der Prüfung erhält dem Stpfl. einen nicht unerheblichen Spielraum für das strategische Vorgehen im Hinblick auf die Abgabe einer Selbstanzeige, da sie im Zeitraum zwischen der in der Praxis häufigen telefonischen Ankündigung der Außenprüfung und dem Zugang der Prüfungsanordnung noch möglich ist. Bei dieser telefonischen Abstimmung handelt es sich mangels Schriftform unstrittig nicht um eine Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung i. S. d. § 196 AO, so dass auch § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO nicht eingreift.
In der Praxis besteht teilweise auch die Möglichkeit, Zeit für das Erstellen einer Selbstanzeige zu gewinnen, indem mit dem Betriebsprüfer im Rahmen der Vorab-Abstimmung des Prüfungstermins vereinbart wird, dass er die Prüfungsanordnung nicht zusendet, sondern bei Prüfungsbeginn mitbringt und aushändigt. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, den Zugang der Prüfungsanordnung schlicht zu leugnen (vgl. Rz. 175). Diese sich aus der Gesetzesfassung ergebenden Möglichkeiten werden teilweise in der Literatur begrüßt.
Rz. 174
Für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gilt § 122 Abs. 1 AO. Folglich liegt eine ordnungsgemäße Bekanntgabe vor, wenn die Prüfungsanordnung mit dem Willen der Behörde dem richtigen Adressaten – dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten i. S. d. § 370 Abs. 1 AO oder dessen Vertreter – in der richtigen Form zugeht. Ihr Zugang muss somit im Hinblick auf das "Ob" und das "Wie" durch den Willen der Behörde gesteuert werden. Die Prüfungsanordnung darf die Behörde nicht gegen deren Willen verlassen und muss den Adressaten auf dem vorgesehenen Wege erreichen. Zugegangen ist sie, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, ...