Rz. 65
In der Praxis bildet die Ankündigung von steuerlichen Ermittlungshandlungen durch die Finanzbehörde den Hauptgrund für die Abgabe der "Selbstanzeigeerklärung" (Rz. 27). Die steuerliche Prüfung i. S. v. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist jede zum Zweck der gesetzmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung durchgeführte Ermittlungsmaßnahme der Finanzbehörde, insbesondere die Ermittlungen, die zur Nachprüfung von Angaben, die im Besteuerungsverfahren über Besteuerungsgrundlagen gemacht worden sind.
Rz. 66
Bei der steuerlichen Prüfung wird es sich i. d. R. um eine Außenprüfung nach §§ 193ff. AO handeln, wobei es für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 1 Nr. 1a AO unerheblich ist, ob diese turnusmäßig oder aufgrund besonderer Umstände als Sonderprüfung erfolgt. Die Außenprüfung dient der Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall. Dies gilt auch, wenn sie zugleich zur Ermittlung von "Richtsätzen", d. h. von Branchenvergleichszahlen, dient. Eine ausschließliche Richtsatzprüfung, die nicht unmittelbar als Erkenntnisgrundlage für ein konkretes Besteuerungsverfahren dienen soll, erzeugt nicht die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 1 Nr. 1a AO. Bei einer Steuerhinterziehung durch Finanzamtsangehörige, bei der diese ihre Befugnisse und Stellung zur Begehung der Tat missbrauchen (§ 370 AO Rz. 21, 161, 164), stellt die Überprüfung der Veranlagungsarbeiten innerhalb eines FA durch die Innenrevision der Oberfinanzdirektion eine steuerliche Prüfung durch einen Amtsträger der Finanzbehörde i. d. S. dar. Eine Selbstanzeige des Beamten nach Beginn der Innenrevision ist daher nicht strafbefreiend.
Rz. 67
Steuerliche Prüfungen i. d. S. sind aber auch alle Ermittlungshandlungen im gesamten Besteuerungsverfahren, die zur Aufklärung einzelner Sachverhalte bestimmt sind. Diese können erfolgen im Rahmen
- des Steueraufsichtsverfahrens durch Nachschau nach § 210 AO.
- der "Vorfeldermittlungen" der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 AO Rz. 23, 39);
- des Steuerfestsetzungsverfahrens durch Augenscheinseinnahme, z. B. die "betriebsnahe Veranlagung", die Einsichtnahme einzelner Unterlagen oder die Besichtigung des "Arbeitszimmers";
- des Einspruchsverfahrens;
- des Erhebungs- bzw. des Vollstreckungsverfahrens nach § 249 Abs. 2 AO. Hier wird der Straftatbestand der Steuerhinterziehung i. d. R. dadurch verwirklicht, dass unberechtigte Steuervorteile gewährt oder belassen worden sind (§ 370 AO Rz. 107, 108), sodass Ermittlungen hinsichtlich dieses Sachverhalts die "Selbstanzeige" ausschließen. Deshalb kann für die Überprüfung der Gewährung einer Stundung oder eines Vollstreckungsaufschubs auch eine Liquiditätsprüfung einen Ausschlussgrund bilden.