Rz. 70
Die Ausschlusswirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO tritt ein, wenn der Amtsträger (Rz. 68) erschienen ist, nicht erst mit Beginn der steuerlichen Prüfung. Maßgeblich ist das tatsächliche Erscheinen, also der reale Vorgang. Dies erfordert, dass der Amtsträger in der Herrschaftssphäre des Beteiligten in Erscheinung tritt. Dies ist der Prüfungs- oder Ermittlungsort, i. d. R. die Wohnung oder das Betriebsgebäude des Stpfl..
Rz. 71
Durch die Ankündigung des Erscheinens wird die Straffreiheit also nicht ausgeschlossen. Dies gilt selbst dann, wenn der Amtsträger zur Absprache eines Prüfungstermins erscheint oder selbst als Bote eine schriftliche Prüfungsanordnung für einen späteren Zeitpunkt überbringt (Rz. 83), um eine "Selbstanzeige" zu provozieren (Rz. 65).
Rz. 72
Die Ausschlusswirkung tritt auch ein, wenn eine Ankündigung des Erscheinens fehlt. Überraschendes Erscheinen hindert also nicht den Eintritt der Ausschlusswirkung.
Rz. 73
Diese Herrschaftssphäre des Beteiligten, in der das Erscheinen stattfinden muss, beginnt an der Grenze des befriedeten Besitztums. Trifft oder sieht der Beteiligte (Rz. 77) den Amtsträger außerhalb seiner Herrschaftssphäre, etwa auf dem Weg zum Prüfungsort, selbst unmittelbar vor der Eingangstür, so ist noch kein Erscheinen gegeben.
Rz. 74
Der Versuch, den Herrschaftsbereich zu betreten, also z. B. das Erscheinen am Eingangstor des Betriebs- oder Wohngrundstücks bzw. an der Wohnungstür mit Prüfungsabsicht (Rz. 83), ist ausreichend. Verhindert der Beteiligte den Zutritt zum Prüfungsort (Nichtöffnen der Eingangstür) oder ist er in den Prüfungsräumen nicht anwesend, so ist der Amtsträger gleichwohl erschienen. Die Pflicht zur Zutrittsgewährung besteht für den Beteiligten allerdings nur im Rahmen der allgemeinen üblichen Geschäftszeiten. Eine Verweigerung des Zutritts bei Erscheinen außerhalb dieser Zeiten, z. B. an Sonn- oder gesetzlichen Feiertagen, kann nicht die Ausschlusswirkung herbeiführen. Die Verweigerung des berechtigten Zutritts ist von den Strafverfolgungsorganen zu beweisen.
Rz. 75
Das Erscheinen erfordert nicht, dass dieses dem Beteiligten unmittelbar oder mittelbar zur Kenntnis gelangt. Der Amtsträger braucht nicht in das "Blickfeld" des Beteiligten zu treten. Tritt er jedoch in das Blickfeld des Beteiligten, ist die Ausschlusswirkung stets eingetreten. Die Anwesenheit des Beteiligten ist nicht erforderlich.
Rz. 76
Die Ausschlusswirkung wird dadurch begründet, dass der Amtsträger in Erscheinung tritt. Dies ist ein einmaliger zeitlich zu fixierender Vorgang. Die weitere Gestaltung der Ermittlungshandlung ist unerheblich. Die Ausschlusswirkung ist also unabhängig von der weiteren Anwesenheit des Amtsträgers. Unterbrechungen oder Verschiebungen der Ermittlungshandlungen nach Erscheinen haben keinen Einfluss auf den Ausschlussgrund.
Rz. 76a
Der Gesetzesformulierung dieses Ausschlussgrunds liegt die Vorstellung zugrunde, dass dem erstmaligen Erscheinen zur Durchführung von Ermittlungshandlungen die Ausschlusswirkung beizumessen ist. Die Vorschrift hindert also, dass eine "Selbstanzeige" nach § 371 AO gegenüber dem erschienenen Außenprüfer abgegeben wird.
Rz. 76b
Die Vorschrift versagt als klares Abgrenzungskriterium aber auch dann, wenn z. B. bei einer anhängigen Prüfung eine Prüfungserweiterung oder eine Anschlussprüfung angeordnet wird, der Prüfer also schon anwesend ist.
Beispiel 1:
Bei einem gewerblichen Großbetrieb (Einzelunternehmer) ist für die Jahre 2000 bis 2003 eine Außenprüfung anhängig. Im Juni 2007 wird für die Jahre 2004 und 2006 eine Prüfungsanordnung erlassen, in der als voraussichtlicher Beginn der Anschlussprüfung der Dezember 2007 genannt wird.
Die Terminbestimmung ist ein selbstständiger Verwaltungsakt. Vor dem Termin darf die Prüfung nicht ohne Zustimmung des Stpfl. begonnen werden. Bis zu diesem Termin ist die Prüfung nur angekündigt, also eine "Selbstanzeige" für den Anschlusszeitraum trotz Anwesenheit des Prüfers zulässig.
Beispiel 2:
Die Prüfung in Beispiel 1 verzögert sich, sodass zum voraussichtlichen Prüfungsbeginn die Anschlussprüfung noch nicht begonnen hat. Bei der Vorbereitung der Anschlussprüfung in 2007 offenbart der Stpfl. seinem Steuerberater eine Hinterziehung im Prüfungszeitraum 2004 bis 2006.
M. E. ist auch in diesem Fall eine "Selbstanzeige" für den Zeitraum der Anschlussprüfung noch zulässig. Der Prüfer ist zwar anwesend, aber noch nicht zur Anschlussprüfung "erschienen". Insoweit fehlt noch die erforderliche Prüfungsabsicht (Rz. 83). Die Ausschlusswirkung beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Prüfer konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Anschlussprüfung trifft. Erst in diesem Zeitpunkt ist die Anwesenheit dem erstmaligen Erscheinen qualitativ gleichwertig. Dieser Zeitpunkt ist eindeutig nachzuweisen, sodass Zweifel zugunsten des Anzeigenden wirken.
Bei einer nicht vorher angekündigten und terminierten Prüfungserweiterung im Laufe einer anhängigen Prüfung "erscheint" der Amtsträg...