Rz. 90
Nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ist Anknüpfungspunkt für den Ausschluss der Straffreiheit das "Erscheinen" des Amtsträgers, d. h. ein exakt zu bestimmender Zeitpunkt. Hieraus wird z. T. gefolgert, dass von diesem Zeitpunkt an die strafbefreiende Wirkung der "Selbstanzeige" endgültig entfällt. Diese einschränkende, zuungunsten des Steuerhinterziehers wirkende Auslegung widerspricht aber dem fiskalischen Normzweck des § 371 AO. Das Interesse an der Erschließung einer bisher unbekannten Steuerquelle (Rz. 3) lebt dann wieder auf, wenn die steuerlichen Ermittlungen ohne Aufdeckung derselben abgeschlossen sind. Der Normzweck rechtfertigt es, abweichend vom Gesetzeswortlaut die Ausschlusswirkung nur für die Dauer der Ermittlungen anzunehmen. Eine nach Abschluss der Ermittlungen eingelegte "Selbstanzeige" begründet erneut die Anwartschaft auf Straffreiheit.
Rz. 91
Die Ermittlungen sind abgeschlossen, wenn die Prüfungsanordnung bzw. der Ermittlungsauftrag sowohl inhaltlich verbraucht, das Prüfungs- bzw. Ermittlungsergebnis nach der Würdigung des entscheidungsbefugten Amtsträgers in die Entscheidung eingeflossen, als auch rechtlich erledigt ist, wenn aufgrund derselben Prüfungsanordnung bzw. desselben Ermittlungsauftrags nicht noch einmal in die Ermittlungen eingetreten werden kann, sondern für die Wiederaufnahme eine neue Regelung erforderlich ist.
Dies ist im Fall der Außenprüfung nicht der faktische Abschluss der Ermittlungshandlungen oder die Schlussbesprechung, da hiernach die Prüfungshandlungen noch fortgesetzt werden können. Der Abschluss der Ermittlungshandlungen liegt frühestens in der Mitteilung, dass eine Änderung der Steuerbescheide nicht erfolgt, bzw. in der Bekanntgabe der Steuerbescheide.