2.3.3.1 Allgemeines
Rz. 183
Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wird nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO auch dadurch ausgeschlossen, dass vor der Abgabe der Selbstanzeigeerklärung dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Die seit dem 1.1.2015 geltende Fassung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO erfasst durch die Änderung des Wortlauts nicht mehr nur den Täter, sondern jetzt alle an der Tat Beteiligten.
Dieser Ausschlussgrund hat seine Berechtigung dadurch, dass sich durch die Verfahrenseinleitung die Entdeckungsgefahr bereits dermaßen konkretisiert hat, dass der Fiskus zur Erschließung bislang unbekannter Steuerquellen nicht mehr der Mithilfe des Stpfl. bedarf und folglich ein Anreiz für den Stpfl. zur Abgabe einer Selbstanzeige nicht mehr erforderlich und es für die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit somit zu spät ist (vgl. Rz. 163).
2.3.3.2 Voraussetzungen
2.3.3.2.1 Verfahrenseinleitung
Rz. 184
Ein Steuerstrafverfahren ist nach § 397 Abs. 1 AO eingeleitet, sobald von der Finanzbehörde oder den Strafverfolgungsorganen eine Maßnahme getroffen wird, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Dasselbe gilt gem. § 397 Abs. 1 AO i. V. m. § 410 Abs. 1 Nr. 6 AO für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit.
Rz. 185
Das Strafverfahren ist eingeleitet und hat somit begonnen, sobald eines der Strafverfolgungsorgane eine Maßnahme getroffen hat, die erkennbar die Strafverfolgung bezweckt, wobei die Einleitungswirkung durch jede Maßnahme ausgelöst wird, die als erster Schritt zur Aufklärung des Tatverdachts erkennbar wird. Da die Einleitung jedes zielgerichtete tatsächliche Handeln des Strafverfolgungsorgans ist, ist die äußere Form der Maßnahme ohne rechtliche Bedeutung. Da die in der Einleitung liegende Willensbetätigung mit strafrechtlicher Zielsetzung auch nach außen objektiv erkennbar sein muss, damit die Ausschlusswirkung eintritt, ist eine konkrete Ermittlungshandlung bzw. Anordnung erforderlich. Es reicht somit z. B. die förmliche Einleitungverfügung der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO mit der schriftlichen Anordnung der Registereintragung regelmäßig aus, nicht hingegen eine bürointerne Aktennotiz, dass das Strafverfahren eingeleitet sei, ohne dass zugleich eine konkrete Ermittlungshandlung angeordnet wird. Diese Einleitungsnotiz dokumentiert lediglich, dass strafrechtliche Maßnahmen erfolgen sollen, ist aber selbst keine Ermittlungshandlung. Ebenso wenig reichen als einleitende Maßnahme Kontrollmitteilungen oder interne Aktenanforderungen, die Erklärung in der Schlussbesprechung, dass die strafrechtliche Würdigung des Prüfungsergebnisses einem gesonderten Verfahren vorbehalten bleibe sowie ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO.
2.3.3.2.2 Bekanntgabe
Rz. 186
Da die Einleitung des Steuerstrafverfahrens nicht erfordert, dass der Beschuldigte hiervon in Kenntnis gesetzt wird, ist die Einleitung allein für die Ausschlusswirkung nicht ausreichend. Vielmehr ist deshalb nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO ausdrücklich die Bekanntgabe der Einleitung für das Eingreifen der Ausschlusswirkung erforderlich.
Bei der Bekanntgabe handelt es sich um die offizielle Mitteilung durch die Finanzbehörde oder die Strafverfolgungsorgane, also die vom Willen des Amtsträgers getragene Erklärung, dass strafrechtliche Ermittlungen geführt werden. Private Mitteilungen oder Indiskretionen lösen die Sperrwirkung nicht aus.
Rz. 187
Die Mitteilung der Verfahrenseinleitung ist nach § 397 Abs. 3 AO spätestens erforderlich, wenn der Tatbeteiligte zur aktiven Mitwirkung bei der Ermittlung aufgefordert wird, damit dieser von seinem Mitwirkungsverweigerungsrecht Gebrauch machen kann. Die Ausschlusswirkung der Einleitungsbekanntgabe tritt nur dann ein, wenn der Tatbeteiligte oder sein Vertreter durch den Inhalt der Bekanntgabe über die Tat, derer er verdächtigt wird, "ins Bild gesetzt" und ihm mitgeteilt wird, welche Steuerart durch welches Tatverhalten verkürzt worden sein soll. Die Benennung des Besteuerungszeitraums ist hingegen nicht zwingend erforderlich. Die Angabe des verletzten Strafgesetzes oder der Schuldform ist ebenso wenig erforderlich wie die Angabe der einzelnen Einkunftsart bei der Hinterziehung von Einkommensteuer.
Rz. 188
Diesem Erfordernis, durch die Bekanntgabe "ins Bild zu setzen", muss auch die Bekannt...