Rz. 108
Der Gesetzeswortlaut lässt es offen, von wem die Tat entdeckt worden sein muss. Hieraus ist zu schließen, dass regelmäßig jede Person Entdecker i. S. v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sein kann, sofern sie nicht Tatbeteiligte ist. Aus Sinn und Zweck des Ausschlusstatbestands ergibt sich aber die Einschränkung, dass durch den Entdecker eine konkrete Aufdeckungsgefahr begründet wird. Es muss damit zu rechnen sein, dass der Entdecker seine Kenntnis an die Finanzbehörde weitergibt. Die Entdeckerperson muss zur Information der Finanzbehörde und damit zur Erschließung der bisher unbekannten Steuerquelle verpflichtet oder willens sein. Weitere Einschränkungen werden durch den Gesetzeswortlaut nicht gerechtfertigt.
Rz. 109
Als Entdeckerperson i. S. v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO kommen demgemäß alle Amtsträger, auch außerhalb der Finanzbehörde, in Betracht, die im Rahmen ihrer Dienstgeschäfte von der Tat Kenntnis erlangen, soweit sie aufgrund ihrer Rechtsstellung nach § 116 AO zur Information der Finanzbehörde oder aufgrund des Legalitätsprinzips nach §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO zur Verfolgung der Straftat verpflichtet sind (§ 397 AO Rz. 23).
Rz. 110
Auch bei privater Kenntniserlangung von der Tat durch Amtsträger oder bei Kenntniserlangung durch Privatpersonen ist eine Entdeckung i. S. v. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO möglich. Hier ist aber zu differenzieren:
- Beteiligt sich die Privatperson nach Kenntniserlangung von dem Geschehen durch Beihilfe oder Begünstigung oder durch sonstige Nutznießung (z. B. ein Erpresser) an der Tat, so liegt mangels Aufdeckungsgefahr (s. Rz. 108) keine Tatentdeckung i. d. S. vor.
- Deckt der Tatbeteiligte die Tat seinem steuerlichen oder rechtlichen Berater zwecks Beratung über die Rechtslage auf, so liegt in dieser Offenbarung keine Tatentdeckung. Die Information eines Dritten, damit dieser die "Selbstanzeige" erstattet (Rz. 31, 33), führt nicht zur Tatentdeckung des Dritten. Gleiches gilt für andere Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung oder aufgrund der Einbeziehung in die Vertrauenssphäre des Tatbeteiligten, z. B. Angehörige, ein gesetzliches Aussageverweigerungsrecht haben, vgl. z. B. §§ 101ff., §§ 52ff. StPO, und zur Ausübung dieses Rechts und damit zur Geheimhaltung rechtlich verpflichtet oder aus Gewissensgründen gehalten sind.
- Die Tatentdeckung durch andere Privatpersonen dürfte nur ein besonderer Ausnahmefall ohne praktische Bedeutung sein, wenn sie das Geschehen nicht der Finanzbehörde oder den Strafverfolgungsorganen zur Kenntnis bringen, da das Vorliegen des Ausschlussgrunds von den Strafverfolgungsorganen zu beweisen ist.