2.3.6.1 Allgemeines
Rz. 238
Durch den mit Wirkung zum 1.1.2015 eingefügten § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO wird klargestellt, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige auch dann ausgeschlossen ist, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer rechtmäßigen Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder sonstigen Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat. Durch die Einführung dieses selbstständigen Ausschlussgrundes hat der Gesetzgeber den früheren Streit, ob eine Nachschau eine Außenprüfung i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO (Erscheinen eines Außenprüfers zur steuerlichen Prüfung) darstellt, gegenstandslos gemacht und sich i. S. d. früher wohl herrschenden Meinung entschieden. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. e AO dürfte insoweit lediglich klarstellende Funktion zukommen.
Rz. 239
Allgemein ist festzustellen, dass dieser (neue) Ausschlussgrund in die übergeordnete Ratio der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO passt und er auch mit der allgemeinen Tendenz in Einklang steht, steuerliche Kontrollen stärker an gegenwärtigen Ereignissen und Gegebenheiten zu orientieren und weniger vergangenheitsbezogene Prüfungen vorzunehmen. Allerdings wird der praktische Anwendungsbereich dieses Ausschlussgrundes aufgrund des geringen zeitlichen Umfangs des Sperrgrundes (vgl. Rz. 246) eher gering sein. Trotzdem sollte dieser Sperrgrund vor dem Hintergrund der Häufigkeit von Nachschauen und der Tatsache, dass sie ohne vorherige Ankündigung durchgeführt werden, in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden.
2.3.6.2 Nachschau
Rz. 240
Im Hinblick auf die ausdrücklich aufgeführte Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Nachschau nimmt Nr. 1e ausdrücklich vollinhaltlich Bezug auf die steuerrechtlichen Vorschriften der §§ 27b UStG, 42g EStG. Der Terminus "Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften" erfasst bundesrechtlich – vorbehaltlich zukünftiger gesetzlicher Regelungen – zzt. ausschließlich die allgemeine Nachschau nach§ 210 AOsowie die nach § 146b mit Wirkung zum 31.12.2017 neu eingeführte Kassen-Nachschau. Daneben begründen aber auch Nachschauen für Steuern, die der Landesgesetzgebung unterliegen – z. B. das Hamburgische Spielvergnügungssteuergesetz v. 20.5.2005 mit der dort in § 11 HmbSpVStG geregelten Spielvergnügungssteuernachschau oder das Hamburgische Kultur- und Tourismustaxengesetz v. 4.12.2012 mit der dort in § 8 geregelten Steuernachschau – die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO, sofern das Landesrecht § 371 AO für anwendbar erklärt.
Keine Nachschau i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO sind hingegen Inaugenscheinnahmen und Liquiditätsprüfungen. Dasselbe gilt für betriebsnahe Veranlagungen und andere Ermittlungshandlungen des Innendienstes.
Rz. 241
Bezüglich der Funktion als Amtsträger der Finanzbehörde und des Begriffs des Erscheinens gilt dasselbe wie im Rahmen der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 S. 1c und d AO, sodass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Daneben ist auch im Rahmen des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO das (ungeschriebene) finale Element der Prüfungsabsicht erforderlich (vgl. Rz. 216).
Rz. 242
Die Sperrwirkung greift jedoch nur ein, wenn der Amtsträger der Finanzbehörde sich auch als solcher ausgewiesen und damit zu erkennen gegeben hat, da andernfalls der betroffene Stpfl. nicht erkennen kann, ob gerade eine Nachschau stattfindet und somit ein Sperrgrund eingreift.
Daraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss, dass der Sperrtatbestand nicht eingreift, wenn es nicht zu einem persönlichen Kontakt mit dem Stpfl. oder einer anderen Person kommt, es sich also um eine sog. "heimliche" Nachschau handelt. Dies sind insb. Fälle der verdeckten Testkäufe oder isolierten Nachschauen zur Feststellung, ob z. B. tatsächlich Bürogebäude und/oder ein Firmengelände vorhanden sind. Da die Nachschau nunmehr einen eigenständigen Sperrtatbestand darstellt, lässt sich in diesem Fall auch nicht auf § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO zurückgreifen.