2.3.7.2.1 Tatentdeckung
Rz. 248
Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeigeerklärung wird nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nur dann ausgeschlossen, wenn "eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder z. T. bereits entdeckt war". Die Tatentdeckung muss mithin objektiv vorliegen. Die Entdeckungsgefahr begründet die Ausschlusswirkung nicht und auch die irrige Annahme des Selbstanzeigenden, dass die Tat entdeckt sei, hindert den Eintritt der Straffreiheit nicht.
2.3.7.2.2 Begriff der Steuerstraftat
Rz. 249
Der Begriff der Steuerstraftat i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO entspricht nicht dem strafprozessualen Tatbegriff nach § 264 StPO. Abzustellen ist vielmehr auf die einzelne Tathandlung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO, der Nichtabgabe bzw. der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, die durch den Stpfl., die Steuerart und den Besteuerungszeitraum konkretisiert wird. Damit ergibt sich insoweit die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO.
2.3.7.2.3 Entdeckung
Rz. 250
Die Entdeckung der Tat ist die Wahrnehmung eines bisher unbekannten Geschehens und des diesem immanenten Unrechtsgehalts. Die Entdeckung muss sich nur auf eine der unverjährten Straftaten beziehen, für die im Rahmen des sich aus dem Vollständigkeitserfordernis des § 371 Abs. 1 AO ergebenden Berichtigungszusammenhangs eine Selbstanzeige abzugeben ist. Wann i. d. S. die Tat entdeckt ist, ist umstritten. Anlass für diesen Meinungsstreit ist die Einordnung des Begriffs der Tatentdeckung.
Rz. 251
Nach einer bisher in der Literatur vertretenen Auffassung ist der Begriff einzuordnen in das System der üblichen strafprozessualen Begriffsbestimmungen zum Tatverdacht.
Ausgangspunkt ist danach der für die Einleitung eines Strafverfahrens erforderliche Tatverdacht i. S. v. § 152 Abs. 2 StPO. Dieser sog. "Anfangsverdacht" ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Hierzu wurde teilweise die Ansicht vertreten, dass die Tatentdeckung weniger als einen Anfangsverdacht erfordere oder dass das Vorliegen eines Anfangsverdachts ausreichend sei. Diese Ansichten dürften jedoch kaum mit dem Wortsinn des Begriffs "entdecken" zu vereinbaren sein, nach dem es sich um mehr handeln dürfte, als die bloße Möglichkeit, dass eine Straftat vorliegt. Folglich dürften diese Ansichten mittlerweile überholt sein.
Rz. 252
Dementsprechend vertritt ein anderer Teil der Literatur in Übereinstimmung mit der alten Rechtsprechung die Auffassung, dass der "Anfangsverdacht" nicht für die Tatentdeckung ausreiche, und hat diesen Ausschlussgrund für die Straffreiheit enger gefasst. Hiernach ist eine Steuerstraftat nicht schon dann entdeckt, wenn Tatsachen bekannt geworden sind, die zur Einleitung von Ermittlungen Anlass geben können, sondern erst dann, wenn Anhaltspunkte bekannt sind, die bei vorläufiger Bewertung eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lassen.
Die Begriffsbestimmung entspricht damit nach h. Lit. dem Inhalt des "hinreichenden Tatverdachts" i. S. v. § 203 StPO der gegeben ist, wenn eine Verurteilung aufgrund der vorläufigen Sachkenntnis typischerweise wahrscheinlich ist. Das erfordert, dass nicht nur das äußere Tatgeschehen vom Tatentdecker zumindest teilweise unmittelbar selbst wahrgenommen wurde, sondern aufgrund des wahrgenommenen Sachverhalts auf die subjektiven Tatbestandsmerkmale geschlossen worden ist. Nicht notwendig ist dagegen, dass der Tatentdecker den gleichen Grad an Überzeugung von der schuldhaften Tatbegehung erlangt, wie er für die Verurteilung vom Gericht zu gewinnen ist.
Rz. 253
Das Ergebnis dieser sehr engen Auslegung des Begriffs der Tatentdeckung ist, dass für diesen Sperrgrund danach kein nennenswerter Anwendungsbereich mehr besteht. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass bereits der Rückschluss auf den Vorsatz der Steuerhinterziehung vorliegen muss, und andererseits dara...