2.3.8.1 Allgemeines
Rz. 283
Die Selbstanzeige begründet nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO auch dann keine Anwartschaft auf Straffreiheit, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen bestimmten Betrag übersteigt. Von der Einführung dieses Ausschlussgrundes im Jahr 2011 bis zum 1.1.2015 lag diese Betragsgrenze bei 50.000 EUR je Tat, seit dem 1.1.2015 ist dieser Betrag durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 22.12.2014 auf 25.000 EUR herabgesetzt. Die 50.000-EUR-Grenze orientierte sich an der BGH-Rechtsprechung zum Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO und es nicht als glückliche Idee des Gesetzgebers anzusehen, in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO mit 25.000 EUR eine neue und "aus der Luft gegriffene" weitere Betragsgrenze einzuführen.
Rz. 284
Die Ausrichtung am besonders schweren Fall des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO zum 1.1.2015 aufgegeben, da er beabsichtigte, nicht nur besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung dem Anwendungsbereich des § 398a AO zu unterwerfen. Er ist aber – entgegen zahlreicher Forderungen – nicht dazu übergegangen, eine Selbstanzeige ab einem gewissen Betrag generell zu versagen. Vielmehr soll der Steuerhinterzieher in diesem Fall stärker belastet werden als der bloß säumige Steuerzahler oder ein "normaler" Steuerhinterzieher.
Rz. 285
Teilweise werden gegen den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, da die starre Betragsgrenze den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht reflektiere und somit eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliege, da nicht nur Fälle mit einem erhöhten Erfolgsunrecht von der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige ausgeschlossen werden. Diese Bedenken haben sich mit der Herabsetzung der Betragsgrenze auf 25.000 EUR noch weiter verstärkt, im Ergebnis dürften sie jedoch nicht berechtigt sein.
2.3.8.2 Anknüpfungspunkt
Rz. 286
Die Anwendbarkeit des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO orientiert sich an der Grenze von 25.000 EUR pro Tat. Bei dieser Betragsgrenze handelt es sich um eine Freigrenze, sodass auch im Fall eines lediglich geringen Überschreitens der Ausschlussgrund auf den gesamten Betrag anwendbar ist und nicht etwa nur auf den 25.000 EUR übersteigenden Betrag. Eine Bagatelltoleranz besteht insoweit nicht.
Rz. 287
Die Betragsgrenze bezieht sich dabei auf die materiell-rechtliche Tat, die beschrieben wird durch Steuerart, Besteuerungszeitraum und die Person des Stpfl. Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut "je Tat" ergibt, erfolgt insoweit also keine Addition der Hinterziehungsbeträge mehrerer Steuerarten oder Veranlagungszeiträume. Folglich ist jeder Besteuerungszeitraum je Steuerart gesondert zu bewerten, obwohl § 371 Abs. 1 AO ansonsten eine Gesamtbereinigung des begangenen Unrechts fordert. Mithin ist für die Berechnung der Betragsgrenze des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO auch eine Einbeziehung der Zinsen nicht angezeigt. Etwas anderes gilt hingegen für die Einbeziehung des des Solidaritätszuschlages, bei dem es sich zwar um eine andere Steuerart (vgl. Rz. 105ff.) handelt, die aber eine Annexsteuer zur ESt darstellt. Eine gesonderte Hinterziehung des Solidaritätszuschlags ist folglich gar nicht möglich, sondern es besteht immer ein Zusammenhang mit der Hinterziehung der ESt in dem jeweiligen Besteuerungszeitraum. Folglich ist der Solidaritätszuschlag bei der Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze einzubeziehen.
Rz. 288
Für die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO ist allein die verkürzte Steuer maßgeblich, wie sie sich aufgrund des Ermittlungsergebnisses nach § 370 Abs. 4 AO errechnet. Unerheblich ist der für die Strafzumessung maßgebliche tatsächliche steuerliche Schaden. Die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO greift also auch dann ein, wenn dieser z. B. bei einer Steuerhinterziehung auf Zeit oder wegen der Anwendung des Kompensationsverbotes in § 370 Abs. 4 S. 3 AO tatsächlich geringer ist. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 398a Abs. 2 AO, die ausdrücklich auf § 370 Abs. 4 AO verweist, da unter systematischen Gesichtspunkten insoweit nur eine einheitliche Berechnung der Verkürzungsbeträge in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO und § 398a AO erfolgen kann. Folglich sind bei der Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO geleistete Vorauszahlungen nicht gegenzurech...