Rz. 286
Die Anwendbarkeit des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO orientiert sich an der Grenze von 25.000 EUR pro Tat. Bei dieser Betragsgrenze handelt es sich um eine Freigrenze, sodass auch im Fall eines lediglich geringen Überschreitens der Ausschlussgrund auf den gesamten Betrag anwendbar ist und nicht etwa nur auf den 25.000 EUR übersteigenden Betrag. Eine Bagatelltoleranz besteht insoweit nicht.
Rz. 287
Die Betragsgrenze bezieht sich dabei auf die materiell-rechtliche Tat, die beschrieben wird durch Steuerart, Besteuerungszeitraum und die Person des Stpfl. Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut "je Tat" ergibt, erfolgt insoweit also keine Addition der Hinterziehungsbeträge mehrerer Steuerarten oder Veranlagungszeiträume. Folglich ist jeder Besteuerungszeitraum je Steuerart gesondert zu bewerten, obwohl § 371 Abs. 1 AO ansonsten eine Gesamtbereinigung des begangenen Unrechts fordert. Mithin ist für die Berechnung der Betragsgrenze des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO auch eine Einbeziehung der Zinsen nicht angezeigt. Etwas anderes gilt hingegen für die Einbeziehung des des Solidaritätszuschlages, bei dem es sich zwar um eine andere Steuerart (vgl. Rz. 105ff.) handelt, die aber eine Annexsteuer zur ESt darstellt. Eine gesonderte Hinterziehung des Solidaritätszuschlags ist folglich gar nicht möglich, sondern es besteht immer ein Zusammenhang mit der Hinterziehung der ESt in dem jeweiligen Besteuerungszeitraum. Folglich ist der Solidaritätszuschlag bei der Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze einzubeziehen.
Rz. 288
Für die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO ist allein die verkürzte Steuer maßgeblich, wie sie sich aufgrund des Ermittlungsergebnisses nach § 370 Abs. 4 AO errechnet. Unerheblich ist der für die Strafzumessung maßgebliche tatsächliche steuerliche Schaden. Die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO greift also auch dann ein, wenn dieser z. B. bei einer Steuerhinterziehung auf Zeit oder wegen der Anwendung des Kompensationsverbotes in § 370 Abs. 4 S. 3 AO tatsächlich geringer ist. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 398a Abs. 2 AO, die ausdrücklich auf § 370 Abs. 4 AO verweist, da unter systematischen Gesichtspunkten insoweit nur eine einheitliche Berechnung der Verkürzungsbeträge in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO und § 398a AO erfolgen kann. Folglich sind bei der Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO geleistete Vorauszahlungen nicht gegenzurechnen.
Rz. 289
Daraus können sich jedoch im Einzelfall schwer zu vermittelnde Folgen ergeben, die der Gesetzgeber für den Fall der Steuerverkürzung auf Zeit durch die Sonderregel des für Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen geltenden § 371 Abs. 2a S. 1 AO abschwächen bzw. beseitigen wollte. Diese Ausnahme führt dazu, dass Straffreiheit im Fall von Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen unabhängig vom jeweiligen Hinterziehungsbetrag eintreten kann. Sie gilt jedoch nicht für die entsprechenden Jahreserklärungen, sodass insb. bei Steuerverkürzungen auf Zeit problematische Ergebnisse eintreten können.
Der Unternehmer hat eine Steuerhinterziehung begangen, indem er vorsätzlich seine USt-Jahreserklärung nicht bis zum 31.5., sondern erst am 28.6. abgibt. Die USt beträgt 100.001 EUR, die Vorsteuer 90.000 EUR, sodass sich eine Zahllast i. H. v. 10.001 EUR ergibt.
Da bei der Bemessung der 25.000 EUR-Betragsgrenze ebenso wie wie beim "Hinterziehungsbetrag" gem. § 398a Abs. 2 AO das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO anwendbar ist, ist im Hinblick auf den für die Festlegung des Geldbetrags i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO maßgeblichen Prozentsatz auf den Nominalbetrag der verkürzten Steuer, mithin auf 100.001 EUR abzustellen und nicht auf die Zahllast. Folglich greift § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO ein, sodass keine Straffreiheit mehr eintreten kann, sondern nur noch gem. § 398a AO von der Strafverfolgung abgesehen werden kann. Dafür muss der Unternehmer allerdings neben der Umsatzsteuer auch der Geldbetrag i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO gezahlt werden. Da bei der Bemessung des "Hinterziehungsbetrags" gem. § 398a Abs. 2 AO das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO anwendbar ist, ist im Hinblick auf den für die Festlegung des Geldbetrags i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO maßgeblichen Prozentsatz ebenfalls auf den Nominalbetrag der verkürzten Steuer, mithin auf 100.001 EUR abzustellen. Der Zuschlagssatz beträgt mithin nach § 398a Abs. 1 Nr. 2b) AO 15 %. Umstritten ist allerdings, ob diese 15 % auf den Nominalbetrag anzuwenden sind, also 15 % auf 100.001 EUR (15.000,15 EUR) oder ob das Kompensationsverbot nicht anwendbar ist, so dass der tatsächliche wirtschaftliche Schaden maßgeblich ist (15 % auf 10.001 EUR = 1.500,15 EUR).
Rz. 289a
Sofern falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben werden und die Korrektur durch eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit einem nacherklärten Betrag über 25.000 EUR erfolgt (vgl. Rz. 93), wird vertreten, dass es im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 37...