Rz. 130a
Zweifelhaft ist dagegen die Nachentrichtungspflicht (Rz. 123), wenn sich die Steuerhinterziehung in einem Steuerpflichtverhältnis auswirkt, an dem der Tatbeteiligte nicht Beteiligter i. S. v. § 78 AO ist, er also auch nicht Steuerschuldner des hinterzogenen Betrags ist, sondern nur als Haftungsschuldner nach §§ 70, 71 AO in Betracht kommt. Ausgehend vom Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO und der Systematik des § 370 AO wird einmal die – für den Tatbeteiligten sehr günstige und deshalb aus strafrechtlicher Sicht nicht in jedem Fall befriedigende – Ansicht vertreten, dass ausschließlich ein unmittelbarer steuerlicher Vorteil die Nachentrichtungspflicht begründen kann.
Der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH hinterzieht zugunsten der GmbH betriebliche Steuern. Nach steuerrechtlicher Betrachtungsweise hat er selbst keinen Steuervorteil erlangt und ist demgemäß insoweit allein durch die "Selbstanzeigehandlung" nach § 371 Abs. 1 AO straffrei.
Rz. 131
Demgegenüber vertritt die h. M. die Ansicht, dass nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen ist, wer zu seinen Gunsten hinterzogen hat. Nachentrichtungspflichtig ist danach derjenige, der durch die Tat einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Hinsichtlich des Inhalts des Begriffs "wirtschaftlicher Vorteil" werden vielfältig modifizierte Ansichten vertreten, sodass hier ein unsicheres und strafrechtlich damit im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG bedenkliches Abgrenzungskriterium geschaffen wurde.
Zweifelsfrei ist insoweit nur, dass derjenige "Selbstanzeigende" nicht nachentrichtungspflichtig ist, der aus der Tat überhaupt keinen steuerlichen oder wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Eine solche absolut uneigennützige Steuerhinterziehung dürfte allerdings in der Rechtspraxis äußerst selten sein.
Rz. 132
Eine Ausuferung der Begriffsinterpretation bis hin zur Extremauffassung, dass jeglicher auch mittelbare Vermögensvorteil die Nachentrichtungspflicht begründe, versucht die höchstrichterliche Rspr. dadurch zu verhindern, dass nur nachentrichtungspflichtig sein soll, wer aus der Tat einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Da der "unmittelbare wirtschaftliche Vorteil" der Tat stets nur der steuerliche Vorteil ist, der sich aus der Verminderung der Steuerzahllast oder Erhöhung der Erstattung aufgrund der Verkürzung ergibt, muss dieses Kriterium dahingehend interpretiert werden, dass zur Begründung der Nachentrichtungspflicht unmittelbar aus dem Steuervorteil ein wirtschaftlicher Vorteil erlangt worden sein muss. Hierbei ist es unerheblich, ob dieser wirtschaftliche Vorteil vom begünstigten Stpfl. freiwillig eingeräumt worden ist oder der "Selbstanzeigende" sich den Vorteil ohne Wissen oder gegen den Willen des steuerlichen Nutznießers der Tat angeeignet hat.
Rz. 133
Aber auch diese "unmittelbare Teilhabe am Taterfolg" ist kein hinreichend präzises Abgrenzungskriterium und gewährleistet noch keine Rechtssicherheit wie die "formalistische" steuerrechtliche Betrachtungsweise (Rz. 130). Aus BGH wird erkennbar, dass die Steuerhinterziehung nicht "zu Gunsten" des "Selbstanzeigenden" sein soll, wenn er keinen konkreten wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, der den Gegenwert des Steuervorteils verkörpert. Hiernach ist der Tatbeteiligte, der die Steuerhinterziehung begeht oder an ihr mitwirkt, um nach seiner Vorstellung eine wirtschaftliche Bindung zum steuerlichen Nutznießer der Tat, z. B. eine Geschäftsbeziehung, ein Mandats- oder Anstellungsverhältnis, zu begründen, zu sichern oder auszuweiten, nicht nachentrichtungspflichtig. Eine mittelbare oder unmittelbare Beteiligung am Vermögen oder am Betriebsergebnis (Tantiemen oder sonstige gewinnabhängige Leistungen) des eigentlichen steuerlich Begünstigten bewirkt umgekehrt die Nachentrichtungspflicht.