Rz. 159
Für die Bestimmung der angemessenen Frist hat das bestimmende Strafverfolgungsorgan (Rz. 151) zwei Kriterien zu beachten:
- Zum einen ist für die Fristbemessung der kriminalpolitische Zweck der Frist zu berücksichtigen. Die in Aussicht gestellte Straffreiheit ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die vorenthaltenen Steuern nun auch unverzüglich dem Staat zur Verfügung gestellt werden. Außerdem muss über die Frage der Straffreiheit bzw. der Durchführung des Strafverfahrens zeitnah entschieden werden.
- Zum anderen ist aber bei der Fristbemessung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachentrichtungspflichtigen und damit auch mittelbar die Höhe des Nachentrichtungsbetrags nicht vollständig außer Betracht zu lassen.
Rz. 160
Bei der Abwägung beider Kriterien für die Bemessung der Nachentrichtungspflicht hat der kriminalpolitische Zweck den Vorrang. An längere Fristen, Fristverlängerungsbegehren und Ratenzahlungsvorschläge des Nachentrichtungspflichtigen sind strengere Maßstäbe anzulegen. Die Anforderungen für die Fristbemessung nach § 371 Abs. 3 AO sind höher als für die Stundung nach § 222 AO.
Durch eine zu lange Fristgewährung darf die Wirkung des Strafanspruchs – der damit zu lange hinausgezögert würde – nicht infrage gestellt werden. Bei der Fristbemessung ist demgemäß die Frage der Strafverfolgungsverjährung zwingend zu berücksichtigen. Die Fristbemessung darf nicht die missbräuchliche Verzögerung des Strafverfahrens bewirken.
Rz. 161
Die Priorität des kriminalpolitischen Zwecks darf allerdings nicht dazu führen, dass die Einräumung einer kurzen Frist zum "Strafersatz" wird und die Fristbemessung ausschließlich nach Strafzumessungserwägungen erfolgt. Die Schwere der Tat aufgrund der Tathandlung oder der Täterpersönlichkeit ist zwar nicht ohne Einfluss auf die Fristbemessung, darf allein aber nicht das ausschlaggebende Moment sein. Die Nachentrichtungspflicht ist so zu bemessen, dass der Nachentrichtungspflichtige bei größtmöglicher wirtschaftlicher Anstrengung in der Lage ist, seine Verpflichtung zu erfüllen. Sie darf nicht so kurz sein, dass ihm die Pflichterfüllung von vornherein unmöglich ist.
Rz. 162
In die Fristbemessung ist der Zeitraum zwischen Erstattung der "Selbstanzeige" und Bekanntgabe der Fristsetzung einzubeziehen, da sich der Nachentrichtungspflichtige hier bereits auf seine Pflichterfüllung einstellen konnte.
Rz. 163
Unerheblich ist für die Fristbestimmung dagegen die steuerliche Zahlungsfrist, da die strafrechtliche Nachentrichtungsfrist (Rz. 149) von der Steuerfestsetzung völlig unabhängig ist (Rz. 140, 153). Die für das Steuerfestsetzungsverfahren zuständige Finanzbehörde wird aufgrund der Selbstanzeige nicht zur sofortigen Steuerfestsetzung gezwungen, wenngleich sie diese i. d. R. zeitnah durchführen wird. Durch die Selbstanzeige wird das Ermessen der Finanzbehörde i. S. v. § 6 AO hinsichtlich des Beginns des Besteuerungsverfahrens nicht eingeschränkt. Die Dauer der Nachentrichtungspflicht kann zwar mit den gesetzlichen Zahlungsfristen übereinstimmen, muss dies jedoch nicht. Der Zahlungstermin nach § 371 Abs. 3 AO kann also vor dem steuerlichen Fälligkeitszeitpunkt liegen, ohne dass dadurch die Nachentrichtungsfrist unangemessen wird.
Rz. 164
Grundsätzlich dürfte eine Nachentrichtungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO von vier Wochen, wie sie als gesetzliche steuerliche Nachzahlungsfrist nach Berichtigungsveranlagungen vorgesehen ist, auch stets angemessen sein. Sie kann auch kürzer sein, ohne dadurch unangemessen zu werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Nachentrichtungspflichtigen feststeht. Die ihm trotzdem notwendig zu setzende Frist muss ihm nur die Möglichkeit einräumen, sich die Hilfe anderer zu verschaffen (Rz. 155). Die Aufforderung zur sofortigen Zahlung ist keine Fristsetzung.
Rz. 165
Abhängig ist die Fristbemessung im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Rz. 160) von der Höhe des Nachentrichtungsbetrags. Die Nachentrichtungsfrist kann demgemäß auch länger sein als die gesetzliche Nachzahlungsfrist. Grundsätzlich dürften die Bemessungskriterien des § 371 Abs. 3 AO eine Fristgewährung über sechs Monate hinaus nicht zulassen.