3.2.2.1 Anzeige und Richtigstellung
Rz. 183
§ 153 AO differenziert im Fall der Korrekturpflicht bei fehlerhaften Steuererklärungen nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zwischen der unverzüglichen Anzeige der Fehlerhaftigkeit und der nicht notwendig gleichzeitigen Richtigstellung (§ 153 AO Rz. 2, 2b). Ausgehend vom Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO schließt allein die Anzeige der Fehlerhaftigkeit die Strafverfolgung aus. Diese Ansicht wird zwar dem Zweck des § 371 AO nicht gerecht, eine bisher unbekannte Steuerquelle zu erschließen und die Finanzbehörde in die Lage zu versetzen, das Besteuerungsverfahren nunmehr durchzuführen (Rz. 3). Dieser Zweck könnte jedoch nur erreicht werden, wenn der Begriff "Anzeige" in § 371 Abs. 4 AO als Anzeige und Richtigstellung i. S. v. § 153 AO zu verstehen wäre. Allerdings werden durch diese Auslegung die Anforderungen an den Eintritt des Strafverfolgungshindernisses erschwert, sodass sie nicht statthaft ist (Rz. 64).
3.2.2.2 Anzeigeerstatter
Rz. 184
Aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 4 AO folgt zunächst, dass der Anzeigeerstatter Anzeigepflichtiger i. S. v. § 153 AO sein muss, da anderenfalls zwar eine Anzeige fehlerhaften steuerlichen Verhaltens vorliegt, diese aber allenfalls als Hinweis eines nicht von dem Steuerpflichtverhältnis berührten Fremden, nicht aber als Anzeige nach § 153 AO gewertet werden kann.
Rz. 184a
Anzeigepflichtig nach § 153 AO ist in erster Linie der Steuererklärungspflichtige selbst, der die Steuererklärung ("Ursprungserklärung") fehlerhaft (§ 153 AO Rz. 10) abgegeben hat (§ 153 AO Rz. 2c). Unter diesem Gesichtspunkt vermag die Anzeige eines Steuerberaters, dass eine für seinen Mandanten abgegebene Steuererklärung nach § 153 AO zu berichtigen sei, nicht die Wirkung des § 371 Abs. 4 AO auszulösen, denn der steuerliche Berater ist nach dem Wortlaut des § 153 AO nicht anzeigepflichtig (§ 153 AO Rz. 5 m. w. N.). Auch bei Ehegatten ergibt sich keine Korrekturpflicht hinsichtlich der Steuererklärungen des anderen Ehegatten (§ 153 AO Rz. 3a).
Rz. 184b
Anzeigepflichtiger nach § 153 Abs. 1 S. 2 AO ist auch der Gesamtrechtsnachfolger des Stpfl. und die für den Stpfl. oder dessen Gesamtrechtsnachfolger nach §§ 34, 35 AO als gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigte handelnden Personen (§ 153 AO Rz. 6).
3.2.2.3 Anzeigehandlung
Rz. 185
Die Anzeigehandlung des Anzeigeerstatters muss rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgt sein. Rechtzeitig bedeutet nach § 153 Abs. 1 S. 1 AO unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern. Schuldhaftes Verhalten bedeutet vorsätzliches, leichtfertiges oder fahrlässiges Zögern (§ 153 AO Rz. 2). Eine schuldhaft nicht unverzüglich erstattete Anzeige vermag die Rechtswirkungen des § 371 Abs. 4 AO nicht auszulösen. Lediglich eine unverschuldete Verzögerung ist unschädlich. Bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Zögern des Anzeigeerstatters hat die Anzeigehandlung den Charakter einer "Selbstanzeige" i. S. v. § 371 Abs. 1 AO bzw. § 378 Abs. 3 AO.
Rz. 186
Ordungsgemäß ist die Anzeigehandlung des Anzeigeerstatters, wenn sie bei der zuständigen Finanzbehörde (§ 153 AO Rz. 2b) erstattet wird und auf die Fehlerhaftigkeit der "Ursprungserklärung" (Rz. 184a) hinweist (Rz. 183).
3.2.2.4 Pflichtwidriges Verhalten eines Dritten
Rz. 187
Nach § 371 Abs. 4 S. 1 AO darf ein "Dritter" (Rz. 179) nicht verfolgt werden, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat. Strittig ist der Umfang des Verfolgungshindernisses, resultierend vornehmlich aus der Frage, was unter dem Begriff der Erklärungen i. S. d. Bestimmung zu verstehen ist.
Rz. 188
Unstrittig wird durch § 371 Abs. 4 AO die Strafverfolgung des Dritten ausgeschlossen, wenn dessen Tat eine Steuerhinterziehung durch Nichterfüllung bzw. unrichtige oder unvollständige Erfüllung der Anzeigepflichten nach § 153 AO (§ 370 AO Rz. 62) ist. Diese Tathandlung kann nur gegeben sein, wenn der Dritte Anzeigepflichtiger i. S. v. § 153 AO ist (Rz. 184; § 153 AO Rz. 3–6), da sonst das in § 371 Abs. 4 AO inzidenter vorausgesetzte pflichtwidrige Verhalten nicht in Betracht kommt. Anzeigepflichtiger ist der Dritte zudem nur, wenn nicht bereits durch die Abgabe der ursprünglichen Erklärungen der Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt worden ist, da nur dann die Anzeigepflichten nach § 153 AO begründet werden (Rz. 8; § 153 AO Rz. 14). Die "Ursprungserklärung" darf nicht von vor...