2.1 Inhalt der Nebenfolge
2.1.1 Allgemeines
Rz. 3
§ 45 Abs. 2 StGB i. V. m. § 375 Abs. 1 AO gibt dem Gericht die Befugnis, als Nebenstrafe dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die Amtsfähigkeit (s. Rz. 5) und die Wählbarkeit (s. Rz. 6) abzuerkennen. Dies gilt nicht bei der Verurteilung von Jugendlichen. Das aktive Wahlrecht kann hiernach (s. aber Rz. 1a) mangels ausdrücklicher Regelung nicht aberkannt werden.
Rz. 4
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 375 Abs. 1 AO können beide Eigenschaften, Amtsfähigkeit und Wählbarkeit, nur zusammen aberkannt werden.
2.1.2 Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter
Rz. 5
§ 375 Abs. 1 AO eröffnet dem Gericht die Befugnis, dem Angeklagten die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter abzuerkennen. Öffentliche Ämter sind Einrichtungen, die staatliche Aufgaben wahrnehmen. Hierzu gehören in erster Linie behördliche Einrichtungen des Bundes, der Länder und Gemeinden. Aber auch die ehrenamtlichen Tätigkeiten in behördlichen Ausschüssen, Gerichten, Berufskammern und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (mit Ausnahme derjenigen in kirchlichen Ämtern) sowie als Notar sind Bekleidung öffentlicher Ämter.
Der Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nach § 375 Abs. 1 AO tritt vielfach hinter Sondervorschriften zurück, die z. B. im Beamtenrecht, § 24 DRiG oder § 32 GVG, zu finden sind.
2.1.3 Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen
Rz. 6
§ 375 Abs. 1 AO eröffnet dem Gericht zudem die Befugnis, dem Angeklagten die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, abzuerkennen. Öffentliche Wahlen sind nicht nur die Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes, der Länder und Gemeinden, sondern auch die Wahlen zu den Organen öffentlich-rechtlicher Körperschaften (ohne Kirchen) wie Sozialversicherungen, Berufskammern, Betriebs- und Personalräten.
2.2 Voraussetzungen der Aberkennung
2.2.1 Anwendungsbereich
Rz. 7
Die Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit setzt die Verurteilung wegen bestimmter, abschließend aufgezählter Steuerstraftaten voraus. Sie kommt in Betracht bei der Verurteilung wegen
Rz. 8
Bei sonstigen Steuerstraftaten kann die Nebenfolge nicht angeordnet werden. Unerheblich ist, ob zwischen der Steuerstraftat und der sonstigen Straftat Tateinheit besteht.
Rz. 9
Unerheblich für die Anordnung der Nebenfolge ist die Form der Tatbeteiligung. Ebenso ist unerheblich, ob nur der strafbare Versuch der Tat vorliegt oder diese beendet ist. Unerheblich ist ferner, ob eine "einfache" Steuerhinterziehung vorliegt oder ein "besonders schwerer Fall" der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO gegeben ist.
2.2.2 Einjährige Freiheitsstrafe
Rz. 10
Die Anordnung der Nebenfolge setzt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr voraus. Bei Tatmehrheit nach § 53 StGB genügt es dabei nicht, wenn das Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe bei verschiedenen Delikten, die nur teils in § 375 AO (s. Rz. 6) bezeichnet sind, erst durch die Gesamtstrafenbildung erreicht wird. Wird jedoch wegen mehrerer Delikte i. S. v. § 375 AO (s. Rz. 6) eine Gesamtstrafe von mindestens einem Jahr gebildet, kann die Nebenfolge des § 375 AO angeordnet werden, auch wenn die Einzelstrafen jeweils unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegen. Bei einer Verurteilung bei Tateinheit ist es unerheblich, dass die Strafe dem anderen Straftatbestand entnommen wird.