Rz. 39
Die Regelungen des OWiG zur Einziehung entsprechen weitgehend den Regelungen des StGB. Die Regelungen des OWiG sind prinzipiell auch auf Steuerordnungswidrigkeiten anwendbar. Abweichend vom Strafrecht dürfen Gegenstände als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit nur eingezogen werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich zulässt, § 22 Abs. 1 OWiG. Die §§ 378 bis 383a AO enthalten keine entsprechende Anordnung. Sie ist lediglich in einigen Nebengesetzen vorhanden, z. B. §§ 20 AWG, 36 Abs. 7 MOG, 37 Abs. 3 S. 1 TabStG. Ist eine solche ausdrückliche Einziehungsermächtigung vorhanden, gelten die §§ 22, 24–29 OWiG unmittelbar. § 23 OWiG hingegen, der eine Einziehung unter erleichterten Bedingungen zulässt, ist nur anwendbar, wenn das Gesetz einen ausdrücklichen Verweis enthält, vgl. z. B. §§ 20 Abs. 2 AWG, 37 Abs. 3 S. 1 TabStG.
Rz. 39a
Eingezogen werden können gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG Gegenstände des Täters bzw. gem. Nr. 2 Gegenstände, die nach ihrer Art und den Umständen die Allgemeinheit gefährden oder bei denen die Gefahr besteht, dass sie der Begehung von Handlungen dienen werden, die mit Strafe oder mit Geldbuße bedroht sind. Der Einziehungsgrund nach Nr. 2 trägt neben der Funktion als Sicherungsmaßnahme auch dem Gedanken der Gefahrenabwehr Rechnung.
Daneben kann sich die Einziehung auch auf Anwartschaftsrechte oder Miteigentum beziehen. Für die Einziehung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist erforderlich, dass der Gegenstand dem Täter gehört oder zusteht, wobei nach der Rspr. auf juristische Gesichtspunkte und nicht auf die wirtschaftliche Zuordnung abzustellen ist. Als Objekte der Einziehung kommen nur Tatwerkzeuge, durch die Tat hervorgebrachte Gegenstände oder sog. Beziehungsgegenstände in Frage, die nicht Mittel, sondern Gegenstand der Tat sind.
Rz. 39b
Weitere Voraussetzungen einer Einziehung sind eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat, die im Fall einer Einziehung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG auch vorwerfbar sein muss, vgl. § 22 Abs. 3 OWiG. Gem. § 24 Abs. 1 OWiG muss die Einziehung verhältnismäßig sein und in § 25 OWiG ist die Einziehung des Wertersatzes geregelt.
Rz. 40
Durch den Verfall sollen diejenigen Vermögensvorteile abgeschöpft werden, die durch die Tat erlangt wurden. Im Ordnungswidrigkeitenrecht geschieht dies gem. § 17 Abs. 4 OWiG – anders als im Strafrecht – durch die entsprechende Erhöhung der Geldbuße. Folglich ist die Regelung des Verfalls in § 29a OWiG kaum mit dem strafrechtlichen Ansatz vergleichbar. Danach ist es nicht nur erforderlich, dass aus einer Ordnungswidrigkeit etwas erlangt wurde, sondern es muss darüber hinaus die Verhängung einer Geldbuße gegen denjenigen, dem ein Vorteil aus der Tat zugewachsen ist, scheitern. Dies ist in zwei Fällen denkbar:
- Gem. § 29a Abs. 1 OWiG ist der Fall erfasst, dass gegen den Täter keine Geldbuße festgesetzt werden kann, z. B. weil er nicht vorwerfbar i. S. d. § 12 OWiG handelte, weil die Verfolgung der Steuerordnungswidrigkeit durch eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO ausgeschlossen ist oder weil von der Festsetzung einer Geldbuße gem. § 47 OWiG abgesehen wurde.
- Drittvorteile des Nichttäters werden durch § 29a Abs. 2 OWiG erfasst. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Steuern zugunsten einer GmbH verkürzt wurden, die Voraussetzungen für eine Geldbuße gem. § 30 OWiG hingegen nicht vorliegen.
Rz. 41
Dem Verfall unterliegt gem. § 29a Abs. 1 OWiG der Geldbetrag, der dem Wert des unmittelbar aus der Tat erlangten geldlichen Vorteils entspricht. Nutzungen und Surrogate werden hingegen von § 29a Abs. 2 OWiG – im Gegensatz zu § 73 Abs. 2 StGB – nicht ausdrücklich erfasst. Vielmehr setzt § 29a Abs. 2 OWiG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der mit der Geldbuße bewehrten Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas – dem Vorteil – voraus. Dementsprechend werden ersparte Zinsen von § 29a OWiG nicht erfasst. Die Schätzung der Höhe des Vermögensvorteils ist gem. § 29a Abs. 3 S. 1 OWiG zulässig. Wird gegen den Täter kein Verfahren eingeleitet oder wird das Verfahren wieder eingestellt, so ist die Anordnung des Verfalls auch in einem selbstständigen Verfahren möglich, § 29a Abs. 4 OWiG. § 29a OWiG findet jedoch gem. § 30 Abs. 5 OWiG keine Anwendung, wenn wegen der Tat eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung festgesetzt worden ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 29a OWiG um eine Ermessensvorschrift handelt, sodass von ihrer Anwendung aus Opportunitätsgründen (vgl. Rz. 8f.) abgesehen werden kann.