2.17.1 Allgemeines
Rz. 130a
Durch die Einführung dieses Tatbestands im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass aufgrund der Digitalisierung der Buchhaltung eine sinnvolle Prüfung mittlerweile nur noch möglich ist, wenn in der Außenprüfung ein vollständiger Datenzugriff gewährt wird. Wird dieser nicht gewährt, so kann nicht überprüft werden, ob die Angaben des Stpfl. tatsächlich korrekt sind. Folglich hat der Gesetzgeber mit § 379 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1h AO einen Bußgeldtatbestand eingeführt, der die nicht vollständige Gewährung oder Nichtgewährung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 S. 1 AO sanktioniert.
Rz. 130b
Ein Datenzugriff kann nach dem ebenfalls durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022 geänderten § 147 Abs. 6 AO auf folgende Art und Weise erfolgen:
- Durch unmittelbaren Datenzugriff durch die Finanzverwaltung auf das Datenverarbeitungssystem in Form des Nur-Lesezugriffs. Der Nur-Lesezugriff umfasst das Lesen, Filtern und Sortieren der Daten ggf. unter Nutzung der im Datenverarbeitungssystem vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten.
- Durch mittelbaren Datenzugriff durch Auswertung durch den Stpfl. nach Weisung der Finanzverwaltung, um den Nur-Lesezugriff durchführen zu können. Es kann nur eine maschinelle Auswertung unter Verwendung der im Datenverarbeitungssystem des Aufbewahrungspflichtigen oder des beauftragten Dritten vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten verlangt werden.
- Durch Überlassung der Daten per Datenträger, Online-Speicher oder Cloud-Dienste. Der zur Auswertung überlassene Datenträger ist gem. § 147 Abs. 7 AO spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Aufbewahrungspflichtigen zurückzugeben oder zu löschen. Die Verarbeitung und Aufbewahrung der zur Verfügung gestellten Daten kann auf allen geschützten Datenverarbeitungssystemen der Finanzverwaltung erfolgen.
Zum Umfang des Datenzugriffs vgl. Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 147 AO Rz. 42ff.
2.17.2 Tauglicher Täter
Rz. 130c
Verantwortlich für die Gewährung des vollständigen Datenzugriffs ist der Adressat der Anordnung i. S. d. § 379 Abs. 6 S. 1 AO und somit i. d. R. der Stpfl. als Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtiger. Selbiges gilt nach Ansicht des BFH hingegen nicht für Unterlagen und Daten, die "freiwillig", also über die gesetzliche Pflicht hinaus aufgezeichnet wurden, da diese nicht dem Datenzugriff unterliegen. Neben den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen, bei denen es sich zugleich auch um die Aufbewahrungspflichtigen handelt, sind auch die für sie handelnden Personen i. S. d. §§ 34, 35 AO zur Vorlage verpflichtet. Da die Aufbewahrungspflicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht darstellt, kann sie hingegen nicht durch private Vereinbarungen abbedungen oder übertragen werden.
Rz. 130d
Die Verpflichtung zur Aufbewahrung geht hingegen auf den Rechtsnachfolger (z. B. den Erben) über und sie besteht im Fall der Unternehmensliquidation fort. Da die allgemeine Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht auch im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fortbesteht, ist der Insolvenzverwalter zur Aufbewahrung und damit auch zur Vorlage verpflichtet, solange er das Unternehmen weiter betreibt oder abwickelt. Den Erwerber im Fall der Betriebsveräußerung im Ganzen trifft hingegen keine Aufbewahrungspflicht für Unterlagen bis zum Zeitpunkt der Veräußerung. Diese verbleibt beim Veräußerer. Übernimmt der Erwerber die Unterlagen, so wird er nicht selbst Träger der Aufbewahrungspflicht.