Rz. 30
Ob eine Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht besteht und für wen, ergibt sich aus der jeweiligen Bezugsnorm. Da die Pflichten "nach dem Gesetz" bestehen müssen, kommen gem. § 4 AO nur solche in Betracht, die sich aus einer Rechtsnorm, also Gesetzen im materiellen und formellen Sinn, ergeben. Maßgeblich sind somit förmliche Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht jedoch bloße Verwaltungsanweisungen. Ebenso kommt § 146 Abs. 6 AO nicht als Anknüpfungspunkt für eine Ordnungswidrigkeit infrage, da es sich insoweit um die freiwillige Führung von Büchern handelt. Ist diese nicht ordnungsgemäß, widerspricht dies keiner gesetzlichen Pflicht. Ebenso scheiden als Bezugsnorm für § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO Sollvorschriften aus, da sie keine Pflicht begründen.
Rz. 31
Die gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten i. S. d. § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO können steuerlicher und handelsrechtlicher Natur sein. Sie ergeben sich insb. aus den §§ 41ff., 141ff. AO, den §§ 238ff., 264ff. HGB, den handelsrechtlichen Nebengesetzen sowie den Einzelsteuergesetzen. Daneben werden durch § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO auch Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sanktioniert, die anderen als steuerlichen oder Gewinnermittlungszwecken dienen. Beispielhaft seien hier nur die Pflichten zum Führen von Betäubungsmittelbüchern, Deckregistern und Waffenherstellungsbüchern genannt. Diese außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten betreffen i. d. R. Tätigkeiten, die entweder einer behördlichen Erlaubnis bedürfen oder einer Anmeldepflicht unterliegen. Folglich sollte der Betroffene wissen, welche Pflichten ihn im jeweiligen Einzelfall treffen. Im Hinblick auf außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ist allerdings jeweils zu prüfen, ob ihre Verletzung zu einer abstrakten Gefährdung des Steueranspruchs (vgl. Rz. 6 und 14) führt.
Rz. 32
Im Einzelfall kann die Finanzbehörde nach § 148 AO für sich aus den Steuergesetzen ergebende Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten Erleichterungen gewähren. Diese können nach § 148 S. 2 AO auch rückwirkend erfolgen. Eine solche nachträgliche Vergünstigung wirkt sich jedoch nicht auf den bereits vollendeten Tatbestand der Steuergefährdung aus. Es dürfte i. d. R. jedoch eine Einstellung aus Opportunitätsgründen angezeigt sein.
Rz. 33
Im Fall der Verletzung verbrauchsteuerlicher Aufzeichnungspflichten geht § 381 Abs. 1 Nr. 1 AO dem § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO als Spezialvorschrift vor.
Rz. 34
Im Gegensatz zu Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten werden nach dem klaren Wortlaut des § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO Aufbewahrungspflichten nicht durch § 379 AO geschützt. Im Fall der Nichtherausgabe oder Vernichtung kann jedoch der Tatbestand des § 274 StGB (Urkundenunterdrückung) einschlägig sein.