Rz. 61j
§ 379 Abs. 1 Nr. 8 AO sanktioniert – ähnlich wie § 379 Abs. 1 Nr. 7 AO – die nicht vollständige Aufbewahrung oder Nichtaufbewahrung der nach § 147a Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 1 AO aufzubewahrenden Unterlagen. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass auch eine Steuerhinterziehung, hinter die der Bußgeldtatbestand zurücktreten würde, für dieselbe Steuerart und denselben Veranlagungszeitraum vorliegt. Jedoch kann diese häufig gerade aufgrund der nicht vollständigen Aufbewahrung oder Nichtaufbewahrung der Unterlagen nicht immer nachgewiesen werden, da gerade die Unterlagen für den Nachweis fehlen.
Rz. 61k
Gem. § 147a Abs. 1 S. 1 AO sind Stpfl., bei denen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr beträgt, verpflichtet, Aufzeichnungen und Unterlagen über Einnahmen und Ausgaben aufzubewahren. Die Aufbewahrungspflicht ist (erstmalig) durch § 147a Abs. 1 S. 1 AO kodifiziert worden, da für diejenigen Stpfl., die höhere Überschusseinkünfte beziehen, die allgemeine Bestimmung des § 147 AO zur Aufbewahrung nicht anwendbar ist, weil keine anderweitig kodifizierte Aufzeichnungspflicht besteht. Dem Wortlaut entsprechend verpflichtet § 147a AO nicht zur Aufzeichnung, sondern zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen.
Diese Aufzeichnungen und Unterlagen sind aufzubewahren, um eine steuerliche Prüfbarkeit – vgl. § 193 Abs. 1 AO, der die Möglichkeit einer Außenprüfung bei dem betroffenen Personenkreis eröffnet – der Angaben zu ermöglichen. Auch insoweit führt die Verletzung der Aufbewahrungspflicht durch Vernichtung oder Verlust der Unterlagen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist dazu, dass der steuerliche Zweck, also die Kontrollmöglichkeit, nicht erreicht werden kann.
Rz. 61l
Damit die Aufbewahrungspflicht gem. § 147a Abs. 2 S. 1 AO einschlägig ist, muss zunächst eine sog. Drittstaat-Gesellschaft i. S. d. § 138 Abs. 3 AO gegeben sein. Eine solche liegt nach § 138 Abs. 3 AO immer dann vor, wenn eine Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien gegeben ist, die nicht Mitglieder der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind. Der Stpfl. muss darüber hinaus allein oder zusammen mit nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten der Drittstaat-Gesellschaft ausüben können.
Rz. 61m
Sanktioniert wird die Nicht- bzw. nicht vollständige Aufbewahrung der Unterlagen sowie eine Aufbewahrung für weniger als sechs Jahre. Die Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren ergibt sich aus § 147a Abs. 1 S. 1 AO. Sie beginnt nach § 147a Abs. 1 S. 5 AO i. V. m. § 147 Abs. 4 AO mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die Unterlagen entstanden sind. Die mögliche Verlängerung der Frist nach § 147 Abs. 3 S. 3 AO, wonach die Aufbewahrungsfrist nicht abläuft, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, ist im Rahmen des § 379 Abs. 1 Nr. 8 AO aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ohne Bedeutung. Im umgekehrten Fall hingegen, in dem im Einzelfall die Aufbewahrungsfrist nach § 148 AO verkürzt wird, kommt eine Sanktionierung nach § 379 Abs. 1 Nr. 8 AO nicht mehr infrage.
Rz. 61n
Das Fehlen der Aufzeichnungen oder Unterlagen hat steuerlich sowohl im Hinblick auf § 147a Abs. 1 S. 1 AO als auch im Hinblick auf § 147a Abs. 2 S. 1 AO die Konsequenz, dass die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 S. 2 AO zu schätzen sind und Werbungskosten nicht anerkannt werden. Durch die Einführung des § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AO hat die Verletzung der genannten Aufbewahrungspflichten nun auch bußgeldrechtliche Folgen.
Rz. 61o
§ 379 Abs. 1 Nr. 8 AO ist ebenso wie § 147a Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 1 AO kritisch zu sehen, da der Gesetzgeber der Ansicht Ausdruck verleiht, dass bei vermögenden Personen in erhöhtem Maß mit steuerunehrlichem Verhalten zu rechnen ist. Dafür sind jedoch keine Belege ersichtlich und auch von einer höheren Komplexität der jeweiligen Steuererklärungen, die eine besondere Prüfung erforderlich macht, ist nicht ersichtlich. Trotzdem sind beide Normen mit höherrangigem Recht vereinbar.