Rz. 11
Für das Steuerstrafverfahren gelten die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens in Steuersachen nicht, sodass für den 3. Abschnitt des 8. Teils der AO der Begriff der Finanzbehörde neu zu definieren war.
Finanzbehörde i. d. S. sind nach § 386 Abs. 1 S. 2 AO nur:
- das Hauptzollamt,
- das FA,
- das BZSt,
- die Familienkasse.
Die Steuerfahndungsdienststellen bzw. die Behörden des Zollfahndungsdienstes sind nicht Finanzbehörde i. d. S.; deren strafrechtliche Ermittlungsbefugnis wird durch § 404 AO begründet.
Die in § 386 Abs. 1 S. 2 AO genannten Finanzbehörden haben die strafrechtliche Ermittlungskompetenz insoweit, als ihnen die Verwaltung einer Steuer obliegt. Innerhalb der genannten Finanzbehörden sind die strafrechtlichen Aufgaben zumeist gesonderten Arbeitsgebieten, z. B. den Strafsachenstellen, zugewiesen, die aber organisationsrechtlich keine eigenständige Rechtsstellung haben.
Rz. 12
Die übrigen in § 6 AO aufgezählten Finanzbehörden haben keine straf- oder strafverfahrensrechtlichen Ermittlungs- und Abschlussbefugnisse. Die den Hauptzollämtern und FÄ vorgesetzten Finanzbehörden haben, abgesehen von der Zuständigkeitsbestimmung nach § 390 Abs. 2 S. 2 AO, aber grundsätzlich ihre allgemeinen Aufsichts- bzw. Organisationsbefugnisse. Sie sind zudem befugt, generelle Weisungen zu erteilen.
Die fachliche Dienstaufsicht ist inhaltlich durch das Legalitätsprinzip eingeschränkt. Für die fachliche Weisung im Einzelfall gelten die gleichen Regelungen wie für die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft. Die Befugnisse des ersten Beamten der Staatsanwaltschaft i. S. v. § 145 Abs. 1 GVG stehen dem Leiter der jeweiligen Finanzbehörde zu, nicht aber den vorgesetzten Behörden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die vorgesetzten Behörden keine Finanzbehörde i. S. d. § 386 Abs. 2 AO sind und damit nicht über den Umweg der Einzelweisung faktisch zur Ermittlungsbehörde werden dürfen. Daher hat die vorgesetzte Behörde nicht die Devolutions- und Substitutionsrechte des § 145 GVG.
Rz. 12a
Die Zuständigkeit für ein Bußgeld- oder Strafverfahren wegen der unberechtigten Erlangung von Altersvorsorgezulagen nach §§ 79ff. EStG liegt ebenfalls bei der Finanzbehörde. Zwar sind gem. § 96 Abs. 7 EStG die materiellen und formellen Vorschriften des achten Teils der AO überwiegend anwendbar. Daraus wird vereinzelt geschlussfolgert, die strafrechtliche Verfolgungskompetenz liege bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen. Allerdings handelt es sich bei dieser Stelle nicht um eine Finanzbehörde i. S. d. § 386 Abs. 1 S. 2 AO, sodass die Zuständigkeit für entsprechende Strafverfahren bei der Finanzbehörde, also dem FA, verbleibt.
Rz. 13
Die funktionelle Zuständigkeit der Finanzbehörde im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren setzt nach § 386 Abs. 1 S. 1 AO den Verdacht einer Steuerstraftat voraus.
Der Begriff der Straftat ist im prozessualen Sinn des § 264 StPO zu sehen. Dies ist das gesamte tatsächliche Geschehen, das bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitlicher Lebensvorgang zu werten ist.
Werden durch diesen Lebensvorgang mehrere Straftatbestände verwirklicht, so ist es unerheblich, ob diese Straftaten in der strafrechtlichen Wertung als Tateinheit oder als Tatmehrheit zu sehen sind.