2.1 Erweiterung der Verteidigungsbefugnis
Rz. 7
Nach § 138 Abs. 1 StPO können zu Verteidigern Rechtsanwälte sowie Rechtslehrer an deutschen Hochschulen bestellt werden. Dieser Personenkreis wird durch § 392 Abs. 1 AO für das Steuerstrafverfahren auf Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer erweitert. Diese Berufsträger dürfen in den Grenzen des § 392 Abs. 1 AO, sofern die Finanzbehörde das Verfahren selbständig führt, allein und eigenständig als Verteidiger auftreten. Ihre Rechtsstellung entspricht voll der Position des "normalen" Verteidigers im Strafverfahren.
Gedankliche Grundlage dieser Erweiterung ist, dass der Schwerpunkt der Ermittlungstätigkeit bei den Steuerstraftaten durch die steuerrechtliche Rechtslage geprägt ist, z. B. durch die Höhe der Steuerverkürzung. Demgemäß ermöglicht die Regelung des § 392 AO, die besondere Sachkunde der Angehörigen der steuerberatenden Berufe für die Verteidigung zu nutzen. Dies dient auch der "Waffengleichheit", denn hierdurch wird ein gewisser Ausgleich geschaffen, da dem Beschuldigten die Ermittlungsorgane der Finanzbehörde als Fachverwaltung mit ihren speziellen Steuerrechtskenntnissen gegenüberstehen.
Rz. 8
Die Verteidigungsbefugnis besteht ausschließlich für die aufgezählten Berufsträger. Diese setzt die bestehende und wirksame Bestellung nach deutschem Recht voraus. Es ist ohne Bedeutung, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für eine Bestellung erfüllt und ob sie einen Antrag auf Bestellung gestellt hat, solange sie nicht als Berufsträger wirksam bestellt ist, besteht keine Verteidigungsbefugnis nach § 392 Abs. 1 AO.
Die Verteidigungsbefugnis besteht, bis auf die Bestellung verzichtet wird bzw. sie widerrufen, zurückgenommen oder ein Berufs- oder Vertretungsverbot verhängt wird. Das Vorliegen von Widerrufs- oder Rücknahmegründen allein lässt demgemäß die Befugnis nicht entfallen.
Rz. 9
Die Verteidigungsbefugnis besteht ausschließlich für die aufgezählten Berufsträger. Personenvereinigungen jedweder Rechtsform aus den genannten Berufsträgern oder juristische Personen können nicht zum Verteidiger bestellt werden, obgleich sie die Vertretungsfähigkeit für das Besteuerungsverfahren oder das finanzgerichtliche Verfahren besitzen.
2.2 Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde
Rz. 10
Die alleinige Verteidigungsbefugnis der Angehörigen der steuerberatenden Berufe besteht nur im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde, soweit und solange diese das Verfahren im Rahmen des § 386 AO selbstständig führt.
§ 392 AO gilt auch im Verfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten.
2.3 Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
Rz. 11
Wird das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft geführt, weil die Voraussetzungen für die selbstständige Rechtsstellung der Finanzbehörde nach § 386 AO nicht vorliegen oder die Finanzbehörde diese Rechtsstellung nach § 386 Abs. 3 und 4 AO durch Abgabe des Falls oder staatsanwaltschaftliche Evokation verloren hat, so besteht die selbstständige oder alleinige Verteidigungsbefugnis nicht. Das Gleiche gilt, wenn das finanzbehördliche Verfahren durch das Gerichtsverfahren fortgesetzt wird, wie bei einem Einspruch gegen einen von der Finanzbehörde beantragten Strafbefehl. Die Angehörigen der steuerberatenden Berufe können die Verteidigung in diesem Fall nur gemeinsam mit einem Rechtsanwalt oder einem Hochschullehrer wahrnehmen, dessen Anträgen bzw. Äußerungen im Fall der Divergenz ggf. Vorrang einzuräumen ist.
Rz 12 einstweilen frei
2.4 Gerichtliches Verfahren
Rz. 13
Im strafgerichtlichen Verfahren kann der Angehörige der steuerberatenden Berufe nach § 391 Abs. 1 Hs. 2 AO die Verteidigung grundsätzlich nur gemeinsam mit einem Rechtsanwaltbzw. einem Rechtslehrer an deutschen Hochschulen übernehmen.
Selbstständig hat der Angehörige der steuerberatenden Berufe lediglich folgende Kompetenzen:
Er darf im Strafbefehlsverfahren Einspruch gegen den vom Gericht auf Antrag der Finanzbehörde erlassenen Strafbefehl einlegen, denn die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO verliert ihre selbstständige Ermittlungsbefugnis erst mit der Terminierung der Hauptverhandlung durch das Gericht aufgrund des eingelegten Einspruchs.
Wegen der unklaren Lage, ob der nicht anwaltliche Berater i. S. d. § 392 AO die Befugnis zur wirksamen Einlegung eines Einspruchs hat, bietet es sich an, den Einspruch gegen den Strafbefehl von dem Betroffenen selbst oder von einem Rechtsanwalt unterzeichnen zu lassen.
Er kann im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 401 Abs. 1 Hs. 1 AO bis zum Antrag auf mündliche Verhand...