3.6.1 Tatbeteiligter
Rz. 19
§ 393 Abs. 1 S. 2 AO verbietet die Zwangsmittelanwendung, wenn der Stpfl. durch die Erfüllung seiner steuerlichen Pflicht gezwungen würde, sich wegen einer von ihm begangenen Tat zu belasten.
Die Verfolgungsgefahr muss für den Stpfl. hinsichtlich einer "von ihm begangenen" Tat gegeben sein. Er muss Tatbeteiligter sein, d. h., er muss Täter in jeder Form der Täterschaft (Allein-, Mit- oder der Nebentäter) oder Teilnehmer (Gehilfe oder Anstifter) der Tat sein.
Rz. 19a
§ 393 Abs. 1 S. 2 AO findet keine Anwendung, wenn die Verfolgungsgefahr hinsichtlich einer anderen Person besteht, die die Tat zugunsten des Stpfl. begangen hat und dieser an ihr nicht beteiligt war.
Allerdings ist § 393 Abs. 1 S. 2 AO dann einschlägig, wenn ein Mitwirkungsgebot hinsichtlich einer anderen Person besteht, wie dies bei Personen, die nach §§ 34, 35 AO verpflichtet sind, der Fall sein kann.
Rz. 19b
Nicht sicher geklärt ist die Frage, ob das Zwangsmittelverbot auch eingreift, wenn dem mitwirkungspflichtigen Angehörigen das Mitwirkungsverweigerungsrecht nicht zusteht, weil er selbst in dem Verfahren Stpfl. oder gesetzlicher Vertreter ist. Die h. M. geht – m. E. zutreffend – davon aus, dass eine entsprechende Anwendung des § 393 Abs. 1 S. 2 AO insoweit nicht in Betracht kommt. Um die hier, sicherlich nur in Ausnahmefällen, vorhandene "Lücke im persönlichen Schutzbereich" zu schließen, wird aber ein strafrechtliches Verwendungsverbot angenommen, allerdings überwiegend nur für nahe Angehörige i. S. v. § 52 Abs. 1 StPO.
Rz. 19c
§ 393 Abs. 1 S. 2 AO findet auch keine Anwendung, wenn die Verfolgungsgefahr hinsichtlich eines Vorgängers des Geschäftsführers besteht. In dem Sonderfall des § 371 Abs. 4 AO könnte jedoch eine die Strafverfolgung ausschließende Fremdanzeige vorliegen.
3.6.2 Steuerstraftat – Steuerordnungswidrigkeit
Rz. 20
Die Verfolgungsgefahr muss wegen einer Steuerstraftat i. S. v. § 369 Abs. 1 AO oder Steuerordnungswidrigkeit i. S. v. § 377 Abs. 1 AO bestehen. Hierzu zählt auch die "Vorspiegelungsstraftat" i. S. v. § 385 Abs. 2 AO.
Die Verfolgungsgefahr wegen einer nichtsteuerlichen Straftat hindert die Anwendung von Zwangsmitteln nicht. In diesem Fall wird der Stpfl. vor der strafrechtlichen Verfolgung der offenbarten nichtsteuerlichen Straftaten durch § 393 Abs. 2 AO geschützt.
Die Verfolgungsgefahr wegen eines standes- oder disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens, das nicht straf- oder bußgeldrechtlich relevant ist, hindert die Zwangsmittelanwendung ebenfalls nicht.
Die Gefahr der Selbstbelastung mit einem straf- oder bußgeldrechtlich nicht relevanten Verhalten, das dem Stpfl. jedoch "zur Unehre gereichen würde", hindert ebenfalls nicht die Zwangsmittelanwendung.
Auch steuerliche Nachteile in eigenen Steuerangelegenheiten sind für das Zwangsmittelverbot nicht ausreichend. Die Steuererklärungspflicht selbst widerspricht nicht dem "Nemo-tenetur-Grundsatz", der Stpfl. ist vielmehr grundsätzlich gehalten, seine steuerlichen Erklärungspflichten zu erfüllen, ohne Rücksicht darauf, ob er hierdurch eigene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufdeckt.
3.6.3 Verfolgbarkeit der Tat
Rz. 21
Tat i. d. S. ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung oder Unterlassung, die den die Ahndung begründenden Gesetzestatbestand in Form einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit verwirklicht. Unerheblich ist das Stadium der Tat, solange sie nur strafbewehrt ist. Das Zwangsmittelverbot greift jedoch nicht ein, wenn nur eine straflose Vorbereitungshandlung vorliegt. Erfasst ist die Tat im prozessualen Sinne gemäß § 264 StPO.
Rz. 21a
Der Stpfl. müsste seine Handlung, die Merkmale des Steuerstraftatbestands oder der Steuerordnungswidrigkeit, auch rechtswidrig und schuldhaft erfüllt haben. Eine Verfolgungsgefahr ist nicht gegeben, wenn Rechtfertigungsgründe oder Entschuldigungsgründe vorliegen.
Rz. 21b
Das Verbot der Zwangsmittelanwendung entfällt auch, wenn eine ...