1.1 Zweck der Vorschrift
Rz. 1
§ 394 AO regelt den Eigentumsübergang von Sachen, die ein Unbekannter, der bei einer Steuerstraftat betroffen worden ist, zurückgelassen hat. Die Vorschrift bezweckt eine Vereinfachung des Einziehungsverfahrens. Ist ihr Tatbestand erfüllt, entfällt das objektive Einziehungsverfahren. Sie gilt nicht im Bußgeldverfahren, da sie im Katalog des § 410 Abs. 1 AO nicht aufgelistet ist. Auch wenn sie sich grundsätzlich auf alle Steuerstraftaten bezieht, kommt ihre Anwendung allenfalls bei Bannbruch, Schmuggel oder Steuerhehlerei in Betracht. § 394 AO hat nur eingeschränkte Bedeutung, denn er kommt nur zur Anwendung, wenn ein:
- "subjektives" Einziehungsverfahren nicht in Betracht kommt, weil alle Tatbeteiligten unbekannt sind;
- "objektives" Einziehungsverfahren ebenfalls ausscheidet, weil der Eigentümer der Sache unbekannt und demgemäß ein Einziehungsbeteiligter, gegen den ein Verfahren geführt werden könnte, nicht vorhanden ist.
1.2 Eigentumsübergang
Rz. 2
Die beschlagnahmten oder sonst sichergestellten Sachen, die ein Unbekannter zurückgelassen hat, der bei einer Steuerstraftat auf frischer Tat angetroffen wurde, gehen kraft Gesetzes nach Ablauf eines Jahres in das Eigentum des Staates über, wenn der Eigentümer unbekannt ist. Das Eigentum an diesen Sachen fällt an die steuerberechtigte Körperschaft, beim Bannbruch immer an die Bundesrepublik.
1.3 Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift
Rz. 3
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift werden Bedenken erhoben. Danach soll eine Vereinfachungsvorschrift des vorliegenden Inhalts rechtsstaatswidrig sein, da das Eigentum entschädigungslos übergeht. Zudem werde die Entscheidung durch eine Verwaltungsbehörde getroffen, dies bedeute einen Entzug des gesetzlichen Richters und verstoße damit gegen Art. 92 GG und gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.
Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Einziehung spätestes seit der Reform der Vermögensabschöpfung keinen Strafcharakter, da sie sich nicht am Schuldgrundsatz orientiert.
Rz. 3a
Der Eigentumsübergang nach § 394 AO ist kein Fall der Enteignung, in dem nach Art. 14 Abs. 3 GG eine gesetzliche Entschädigung vorgesehen sein muss. Die Vorschrift enthält vielmehr eine Inhaltsregelung für das Eigentum, die anderen Vorschriften mit ähnlichem Inhalt entspricht. Ohne oder gar gegen den Willen des Eigentümers geht das Eigentum z. B. auch durch Buchersitzung, gutgläubigen Erwerb, Ersitzung und im Fall des Funds über. Bei Unkenntnis und längerem Unbekanntbleiben der Person des Eigentümers trotz öffentlicher Bekanntmachung besteht kein vorrangiges schutzwürdiges Interesse des bisherigen Eigentümers auf Erhaltung seines Rechts, zumal in den erfassten Fällen eine Wahrscheinlichkeit für die sonst mögliche Einziehung nach § 375 Abs. 2 AO besteht.