3.1 Entscheidungsbefugnis
Rz. 16
Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ergeht entweder von Amts wegen oder auf Antrag, d. h. einer Anregung, des Beschuldigten.
Zuständig für die Entscheidung ist nach § 396 Abs. 2 AO
- im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft bzw. die Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO, wenn diese das Strafverfahren selbstständig durchführt;
- nach Erhebung der öffentlichen Klage, d. h. nach Einreichung der Anklageschrift bzw. Antrag auf Erlass des Strafbefehls, das zuständige Gericht.
3.2 Ermessen
Rz. 17
Liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung vor, so kann diese erfolgen. Der Beschuldigte hat keinen Rechtsanspruch auf die Aussetzung. Die entscheidungsbefugte Ermittlungsbehörde bzw. das zuständige Gericht (s. Rz. 16) haben eine Ermessensentscheidung zu treffen.
Rz. 17a
Abzuwägen ist für das konkrete Strafverfahren das Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung (s. Rz. 2) gegenüber dem Interesse des Beschuldigten an einer beschleunigten Verfahrensabwicklung (s. Rz. 1). Diesem gebührt im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 396 AO (s. Rz. 2) grundsätzlich der Vorrang, sofern nicht wirklich gravierende Rechtsfragen vorliegen. Dies gilt insbesondere, wenn strafrechtliche Sachverhalte zu beurteilen sind, die längere Zeit zurückliegen, oder die Hauptverhandlung bereits längere Zeit anhängig ist. Aber auch schwierige und offene steuerrechtliche Vorfragen bewirken keine "Ermessensreduzierung auf Null" und keine Aussetzungspflicht. Erfolgt die Aussetzung im Nachverfahren, nachdem das Einziehungsverfahren gem. §§ 422, 423 StPO abgetrennt wurde, so kann die in § 423 Abs. 2 StPO getroffene gesetzgeberische Entscheidung, ein abgetrenntes Einziehungsverfahren solle spätestens sechs Monate nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils getroffen werden, auf die pflichtgemäße Ermessensausübung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nach § 396 Abs. 1 AO ausstrahlen, ohne diese jedoch zu determinieren. Die Verfahrensaussetzung des Steuerstrafverfahrens sollte im Hinblick auf die verjährungshemmende Wirkung (s. Rz. 2) eine Ausnahmeerscheinung bleiben.
Umgekehrt besteht wegen des anhängigen Strafverfahrens auch keine Pflicht zur Aussetzung des Besteuerungsverfahrens.
3.3 Rechtsnatur
Rz. 18
Die Aussetzung ist eine Verfahrensmaßnahme des zuständigen Strafverfolgungsorgans (s. Rz. 16) zur Gestaltung des Strafverfahrens. Sie stellt keinen Verwaltungsakt (Justizverwaltungsakt) dar, da nicht in ein subjektives Recht des Beschuldigten eingegriffen wird.
3.4 Form und Inhalt
Rz. 19
Die Entscheidung über die Aussetzung nach Erhebung der öffentlichen Klage (s. Rz. 16) ergeht nach § 228 Abs. 1 StPO durch Beschluss des Gerichts. Ob der Beschluss zu begründen ist, richtet sich nach § 34 StPO. Gerichtliche Beschlüsse ergehen dabei entweder mündlich in der Hauptverhandlung und werden dort in Anwesenheit der betroffenen Personen bekannt gemacht oder sie werden schriftlich zugestellt.
Rz. 20
Die Entscheidung über die Aussetzung durch die Staatsanwaltschaft bzw. durch die Finanzbehörde (s. Rz. 16) ergeht als Verfügung.
Rz. 20a
Eine besondere Form schreibt § 396 AO für diese Verfügung nicht vor. Im Hinblick auf die verjährungshemmende Wirkung der Aussetzung (s. Rz. 26) muss jedoch in entsprechender Anwendung des § 78c Abs. 2 StGB und des § 397 Abs. 2 AO ein Vermerk in der Ermittlungsakte erfolgen. Unterbleibt ein solcher Aussetzungsvermerk und ist damit der Zeitpunkt der Aussetzung des Verfahrens...