4.1 Allgemeines
Rz. 26
Die Aussetzung des Strafverfahrens hat zur Folge, dass das anhängige Strafverfahren (s. Rz. 5a) ohne Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot (s. Rz. 2) nicht betrieben werden muss und Strafverfolgungsverjährung nicht eintritt. Die Aussetzungsentscheidung bewirkt nach § 396 Abs. 3 AO das Ruhen der Strafverfolgungsverjährung (s. Rz. 26a).
Auch die abgewartete bestandskräftige Entscheidung im Besteuerungsverfahren bindet die Ermittlungsorgane und das Strafgericht inhaltlich nicht. Es ist allerdings selbstverständlich, dass bei einer beabsichtigten Abweichung von den getroffenen steuerlichen Entscheidungen eine besonders sorgfältige Prüfung und Abwägung geboten ist.
4.2 Ruhen der Verjährung
4.2.1 Rechtswirkung
Rz. 26a
Das Ruhen der Verjährung hemmt den Weiterlauf der Verjährungsfrist für die Strafverfolgung. Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, sondern die Zeit, in der aufgrund der Aussetzung das Verfahren ruht (s. Rz. 28, 28a), wird der Verjährungsfrist hinzugerechnet. Die Verjährung ist ein Prozesshindernis, das stets von Amts wegen zu prüfen ist. Das Verfahren ist, wenn die gesetzliche Verjährungsfrist abgelaufen ist, erforderlichenfalls in der Rechtsmittelinstanz einzustellen. Die verjährungshemmende Wirkung des § 396 AO tritt aber nur bei rechtmäßiger Aussetzung ein.
Rz. 27
Lagen die objektiven Voraussetzungen für eine Aussetzung (s. Rz. 10) nicht vor und ist diese damit von den Ermittlungsbehörden oder den Strafgerichten unzutreffend erfolgt, so verlängert sich die Verjährungsfrist (s. Rz. 26a) nicht und verhindert demgemäß nicht deren Ablauf.
Rz. 27a
Auch bei einer fehlerhaften Ermessensausübung tritt die verjährungshemmende Wirkung des § 396 Abs. 3 AO grundsätzlich nicht ein. Die Ausübung des Ermessens (s. Rz. 17) der Ermittlungsbehörden oder Strafgerichte ist durch das Rechtsmittelgericht allerdings nur hinsichtlich des Ermessensmissbrauchs bzw. der Ermessensüberschreitung nachprüfbar. Die Aussetzungsentscheidung entfaltet also jedenfalls dann nicht die Wirkung des § 396 Abs. 3 AO, wenn sie nichtig oder willkürlich mit dem alleinigen Zweck angeordnet wurde, das Ruhen der Verjährung zu bewirken. Insoweit kann nur in Extremfällen ein Ausschluss der verjährungshemmenden Wirkung angenommen werden.
4.2.2 Dauer des Ruhens
Rz. 28
Die verjährungshemmende Wirkung tritt mit dem Tag ein, an dem die Aussetzungsentscheidung erlassen bzw. aktenkundig gemacht wird.
Die Bekanntgabe der Entscheidung ist für den Eintritt der Rechtswirkung wie bei der Einleitung des Strafverfahrens nicht erforderlich.
Rz. 28a
Die verjährungshemmende Wirkung endet an dem Tag, an dem die Ermittlungen fortgeführt werden (s. Rz. 25), bzw. nach § 396 Abs. 1 AO an dem Tag, an dem das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Eine Erweiterung der verjährungshemmenden Wirkung bis zu dem Tag, an dem die Ermittlungsbehörden oder Strafgerichte vom Abschluss des Besteuerungsverfahrens Kenntnis erlangen, hat keine gesetzliche Grundlage. Es ist Sache der Ermittlungsbehörden bzw. der Strafgerichte, die Verfahren zu überwachen.
Rz. 29
Durch die Aussetzung nach § 396 AO kann die Verjährungsfrist infolge der in der Praxis festzustellenden erheblichen Länge der finanzgerichtlichen Verfahren weit über das gesetzliche Normalmaß hinaus verlängert werden. Im Fall des durch die Aussetzung ausgelösten Ruhens der Verjährung gibt es keine absolute Höchstdauer der Strafverfolgungsverjährung. Die für den Fall der Verjährungsunterbrechung getroffene Regelung des § 78c Abs. 3 S. 2 StGB gilt nicht.