2.1 Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
Rz. 3
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (Rz. 2) hat ohne Verzögerung zu erfolgen:
- bei Verfahrenshindernissen, z. B. dem Verjährungseintritt oder einem Verfolgungshindernis z. B. nach § 398a AO;
- bei materiell-rechtlichen Hinderungsgründen, z. B. einer wirksamen Selbstanzeige i. S. v. § 371 AO,
- wenn tatsächliche Gründe einer Anklageerhebung entgegenstehen, also Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerstraftat nicht ermittelt werden konnten, z. B. die Unschuld des Beschuldigten entweder tatsächlich feststeht oder aber ein Schuldnachweis nicht geführt werden konnte.
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO hindert nicht die erneute Aufnahme des Strafverfahrens und führt nicht zum Verbrauch der Strafklage.
2.2 Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO
2.2.1 Allgemeines
Rz. 4
§ 153 StPO enthält eine wichtige Durchbrechung der Strafverfolgungspflicht (Rz. 1). Nach § 153 Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft, also auch die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO (Rz. 2, 21), von der Verfolgung eines Vergehens regelmäßig mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Strafgerichts absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Zweck dieser Regelung ist die Entlastung der Gerichtsbarkeit von Bagatellsachen.
Rz. 4a
Die Einstellung nach § 153 StPO bewirkt keinen Strafklageverbrauch. Die Ermittlungen können jederzeit wieder aufgenommen werden.
2.2.2 Voraussetzungen
Rz. 5
Die Bestimmung ist nur auf Vergehen i. S. v. § 12 Abs. 2 StGB anwendbar, also bei sämtlichen Steuerstraftaten.
Rz. 5a
Die Anwendung der Bestimmung setzt voraus, dass der Tatbeteiligte nur mit geringer Schuld gehandelt hat. Geringe Schuld i. d. S. kann nach allgemeiner Auffassung dann angenommen werden, wenn sie bei Vergleich mit Vergehen gleicher Art nicht unerheblich unter dem Durchschnitt liegt. Die der geringen Schuld angemessene Strafe muss im untersten Bereich des Strafrahmens angemessen sein.
Rz. 6
Weiterhin darf an der Strafverfolgung kein öffentliches Interesse bestehen. Bei der Prüfung dieser Frage muss man insbesondere mögliche general- und spezialpräventive Erwägungen im Auge behalten (Rz. 26).
Rz. 7
Die Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfordert grundsätzlich die Zustimmung des Strafgerichts, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre. Nach Anklageerhebung kann eine Einstellung durch das Gericht gem. § 153 Abs. 2 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und grds. auch mit Zustimmung des Angeschuldigten erfolgen.
Rz. 7a
Das Zustimmungserfordernis bei einer Einstellung im Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 StPO besteht nicht, wenn
- die Tat nicht von vornherein mit einem erhöhten Strafmaß bedroht ist. Eine Zustimmung ist auch in Fällen der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO nicht erforderlich, denn die in § 370 Abs. 3 AO aufgeführten Regelbeispiele stellen reine Strafzumessungsregeln dar, begründen jedoch keinen eigenen Straftatbestand. Die Praxis dürfte in solchen atypischen Fällen aber wohl immer die Zustimmung des Gerichts gem. § 153 Abs. 1 StPO einholen.
Rz. 7b
- die Tatfolgen gering geblieben sind. § 153 StPO stellt somit nur noch auf den effektiv verbliebenen Schaden ab. Welche Schadenshöhe i. d. S. grundsätzlich als gering anzusehen ist, ist zweifelhaft. Die Anwendung des § 153 StPO ist im Zusammenhang mit Steuerstraftaten zulässig, wenn die bei § 398 AO bislang relevanten Wertgrenzen eingehalten werden (Rz. 22–24).