3.4.1 Allgemeines
Rz. 22
Nach § 398 AO kann von der Verfolgung der Steuerstraftat (Rz. 19) abgesehen werden, wenn
- der Taterfolg geringwertig geblieben ist (Rz. 22a-24),
- die Schuld des Tatbeteiligten (Rz. 20) als gering anzusehen wäre (Rz. 25),
- kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (Rz. 26).
Die Regelung zählt hier drei verschiedene Tatbestandsmerkmale auf. Zentraler Punkt des einzelnen Tatbestandsmerkmals ist jedoch stets die Höhe des Steuerschadens. Hiervon ausgehend sind danach erst andere Aspekte des Tatgeschehens und aus der Person des Tatbeteiligten zu berücksichtigen.
Rz. 22a
Die Einstellung bedarf nicht der Zustimmung des Beschuldigten. Dieser hat kein Rechtsmittel gegen die Einstellung bzw. deren Ablehnung.
3.4.2 Geringwertiger Taterfolg
Rz. 23
Eine Einstellung der Steuerhinterziehung nach § 398 AO setzt voraus, dass nur eine geringwertige Steuerverkürzung eingetreten ist oder nur geringwertige Steuervorteile erlangt worden sind. Die Geringwertigkeit ist, wie bei § 153 StPO (Rz. 7b), als absolute Wertgrenze zu sehen und kann nicht in ein Verhältnis zur verkürzten Steuerschuld oder den Vermögensverhältnissen des Täters gesetzt werden.
Rz. 23a
Es ist lebhaft umstritten, bis zu welchen Wertgrenzen § 398 AO und damit auch § 153 StPO (Rz. 4) angewendet werden kann. Die Benennung einer festen Wertgrenze ist insgesamt wenig hilfreich, zumal in der Lit. jeder Autor seine eigenen Vorstellungen hat, die zwischen 50 EUR und 2.500 EUR variieren. Hieraus für die praktische Arbeit einen Richtwert zu gewinnen, ist ein mehr oder minder willkürliches – auch wohl regional unterschiedliches – Zahlenspiel. Außerdem halten sich die Strafverfolgungsbehörden (Rz. 2) in der Praxis ohnehin nicht an feste Vorgaben, sondern variieren im Einzelfall ganz erheblich. Dies ist grundsätzlich auch richtig, denn nur dadurch kann den Belangen des Einzelfalls und allgemein den sich verändernden Wirtschaftsverhältnissen und Anschauungen Rechnung getragen werden.
Rz. 24
Ausgehend vom Sinn der Regelungen des § 398 AO und des § 153 StPO, die Strafverfolgungsorgane von Bagatellsachen zu entlasten (Rz. 4, 17), sollten die Vorschriften Straftaten erfassen, in denen eine niedrige Strafe zu verhängen wäre, also eine Geldstrafe mit wenigen Tagessätzen (Rz. 25a).
Hier wurde in Nr. 77 Abs. 3 der AStBV (St) 2006 ein Richtwert von bis zu 20 Tagessätzen genannt, bei einem gesetzlichen Bemessungsrahmen für die Steuerhinterziehung zwischen 5 und 360 Tagessätzen. In Nr. 82 der aktuellen AStBV (St) 2023 ist ein konkreter Richtwert nicht genannt. Sieht man in diesem Zusammenhang, dass die Finanzbehörden im Bereich der "kleinen" Steuerhinterziehung im "Normalfall" zur Orientierung mit Strafmaßtabellen arbeiten, so kann man daraus herleiten, dass vonseiten der Finanzverwaltung in der Praxis, unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern, ein Verkürzungsbetrag bis zu 2.500 EUR im Regelungsbereich der § 398 AO und § 153 StPO gesehen wird.
Rz. 24a
Nach § 386 Abs. 1 S. 2 AO sind die Familienkassen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach dem EStG auch für die Verfolgung und Ahndung von Steuerstraftaten i. S. d. § 370 AO und Steuerordnungswidrigkeiten i. S. d. §§ 378, 379 AO zuständig. Hier haben die Familienkassen im Strafverfahren im Zusammenhang mit Kindergeld nach dem EStG die gleichen Rechte und Pflichten wie die FÄ im Steuerstrafverfahren. In der DA-KG 2023 ist unter Kapitel S 8.1.7.2 Abs. 2 S. 3 ausgeführt, dass von Geringwertigkeit ausgegangen werden kann, wenn die Summe des überzahlten Kindergeldes 1.500 EUR nicht überschreitet.