2.2.1 Unwirksamkeit der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO
Rz. 14
Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde im Jahr 2011 im Rahmen des § 371 AO eine Grenze i. H. v. 50.000 EUR eingeführt, bis zu der eine strafbefreiende Selbstanzeige noch möglich war. Diese Grenze orientierte sich an der Rechtsprechung des BGH zur Verwirklichung eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung durch aktives Tun. Nur besonders schwerwiegende Fälle der Steuerhinterziehung sollten aus dem Anwendungsbereich der Selbstanzeige herausgenommen werden und unter § 398a AO fallen. Mit Wirkung zum 1.1.2015 wurde die Grenze auf 25.000 EUR herabgesetzt, um nicht nur besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung dem Anwendungsbereich des § 398a AO zu unterwerfen, sondern alle Fälle, die nach Ansicht von Bund und Ländern aufgrund des Hinterziehungsvolumens die Anwendung des § 371 AO nicht mehr angemessen erscheinen lassen.
Rz. 15
Die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO tritt "je Tat" ein, also wenn hinsichtlich der nach Besteuerungszeitraum und Steuerart bestimmten Tat i. S. d. § 370 AO die Steuerverkürzung oder der erlangte Steuervorteil 25.000 EUR übersteigt. Unerheblich ist, ob zwischen den verschiedenen Steuerhinterziehungen Tateinheit oder Tatmehrheit besteht. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ("je Tat") und dem Willen des Gesetzgebers.
Rz. 16
Bei der Betragsgrenze von 25.000 EUR handelt es sich um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag, sodass es keinen Toleranzbereich für Überschreitungen der Betragsgrenze gibt. Auch im Fall eines lediglich geringen Überschreitens ist § 398a AO auf den gesamten Betrag anwendbar und nicht etwa nur auf den 25.000 EUR übersteigenden Betrag.
Maßgeblich ist insoweit allein der Betrag der verkürzten Steuer, die Verkürzung steuerlicher Nebenleistungen ist nicht einzubeziehen.
Etwas anderes gilt hingegen für die Einbeziehung des Solidaritätszuschlags, bei dem es sich zwar um eine andere Steuerart handelt, der aber eine Annexsteuer zur ESt darstellt. Eine gesonderte Hinterziehung des Solidaritätszuschlags ist folglich gar nicht möglich, sondern es besteht immer ein Zusammenhang mit der Hinterziehung der ESt in dem jeweiligen Besteuerungszeitraum. Folglich ist der Solidaritätszuschlag bei der Bestimmung der 25.000 EUR-Grenze einzubeziehen.
Rz. 17
Für die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ist allein die verkürzte Steuer maßgeblich, wie sie sich aufgrund des Ermittlungsergebnisses nach § 370 Abs. 4 AO errechnet. Unerheblich ist der für die Strafzumessung maßgebliche tatsächliche steuerliche Schaden was sich seit dem AOÄndG 2015 auch aus dem Gesetzestext des § 398a Abs. 2 AO ergibt, denn eine abweichende Berechnung der Grenze zwischen § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO und § 398a AO wäre sinnwidrig. Die Ausschlussregelung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO greift also auch dann ein, wenn der steuerliche Schaden z. B. wegen der Anwendung des Kompensationsverbots in § 370 Abs. 4 S. 3 AO tatsächlich geringer ist.
Rz. 18
Daraus können sich jedoch im Einzelfall schwer zu vermittelnde Folgen ergeben:
Der Unternehmer hat eine Steuerhinterziehung begangen, indem er vorsätzlich seine USt-Jahreserklärung nicht bis zum 31.5., sondern erst am 28.6 abgibt. Die USt beträgt 100.001 EUR, die Vorsteuer 90.000 EUR, sodass sich eine Zahllast i. H. v. 10.001 EUR ergibt.
Zunächst ist in diesem Beispiel die Anwendbarkeit des § 398a AO nicht durch § 371 Abs. 2a S. 1 AO ausgeschlossen, da die dortige Regelung nur USt-Voranmeldungen und die LSt-Anmeldung erfasst, nicht hingegen die USt-Jahreserklärung.
Aufgrund des Eingreifens des Kompensationsverbots ist im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 398a AO auf den Nominalbetrag der verkürzten Steuer, mithin auf 100.001 EUR abzustellen und nicht auf die Zahllast. Folglich muss der Unternehmer zur Einstellung des Verfahrens gem. § 398a AO neben der Umsatzsteuer auch einen Zuschlag i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO zahlen. Zu dessen konkreter Berechnung und den sich daraus – z. T. ebenfalls schwer zu vermittelnden – ergebenden Folgen vgl. Rz. 39ff.
Da der Steuerschaden aber allenfalls 10.001 EUR beträgt und es sich insoweit nur um einen Verspätungsschaden handelt, ist die Anwendung des § 398a AO für den Laien oft nur schwer nachvollziehbar.
Rz. 19
Die Betragsgrenze von 25.000 EUR ist zwingend. Insoweit ist keine Bagatellabweichung zulässig, es gibt keine Toleranzspanne oder Unerheblichkeitsgrenze. Ist die Betragsgrenze auch nur um einen Cent überschritten, ist § 398a AO anzuwenden, sodass von der Verfolgung der Tat nur abgesehen wird, wenn u. a. ein Geldbetrag i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO gezahlt wird.