2.3.6.1 Allgemeines
Rz. 56
Die Konkretisierung der Auflagen hat durch ein Strafverfolgungsorgan zu erfolgen. Funktionell zuständig ist das Strafverfolgungsorgan, das nach dem jeweiligen Stand des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens über die Fortführung der Ermittlungen bzw. über die Verurteilung zu befinden hat.
Rz. 57
Dies ist, soweit das Ermittlungsverfahren i. S. v. § 386 Abs. 2 AO selbstständig von der Finanzbehörde geführt wird, i. d. R. die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder das Hauptzollamt. Den Zollfahndungsämtern bzw. den Steuerfahndungsdienststellen kommt hingegen insoweit keine Entscheidungsbefugnis zu da sie nicht die Rechtsstellung der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO einnehmen.
Rz. 58
Ausgehend von der grundlegenden Entscheidung des BGH zur Selbstanzeige ist allerdings die Staatsanwaltschaft in größerem Umfang in Steuerstrafverfahren einzubeziehen, sodass sie in Fällen von größerer Bedeutung zwingend zu beteiligen ist. Folglich müssten die Fälle des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 AO in aller Regel an die Staatsanwaltschaft abzugeben sein, sodass auch das Verfahren nach § 398a AO von ihr abzuwickeln ist.
Führt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren, so hat ausschließlich diese über die Konkretisierung der Auflagen zu befinden.
Rz. 59
Ist das Strafverfahren bereits im Stadium des gerichtlichen Verfahrens, so entscheidet das Gericht der Hauptsache in der jeweiligen Instanz, sodass sowohl das Gericht der ersten Instanz als auch das Berufungs- oder Revisionsgericht erforderlichenfalls eine (neue) Frist setzen kann, wenn dies noch nicht geschehen ist oder die erste Frist zu kurz war.
Rz. 60
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Strafverfolgungsorgans bestimmt sich im Übrigen nach den strafprozessualen Zuständigkeitsregelungen.
2.3.6.2 Aufforderung
Rz. 61
Das zuständige Strafverfolgungsorgan (Rz. 56ff.) hat den Tatbeteiligten zur Auflagenerfüllung aufzufordern, und zwar für jede einzelne Tat (Rz. 15). Bevor und soweit diese Aufforderung zur Auflagenerfüllung nicht erfolgt ist, besteht insoweit ein gesetzlicher Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 398a AO.
Rz. 62
An die Aufforderung zur Auflagenerfüllung sind – über den Wortlaut des § 398a AO hinaus, der nur die Fristsetzung erwähnt – einem Leistungsgebot nach § 254 AO vergleichbare Anforderungen zu stellen. Der Tatbeteiligte muss in die Lage versetzt werden, die Zahlungen i. S. d. § 398a Abs. 1 AO zu erbringen, d. h., ihm muss zweifelsfrei mitgeteilt werden,
- welchen Betrag er für welche Steuerart und ggf. welchen Besteuerungszeitraum sowie als Zinsen i. S. d. §§ 235, 233a AO an welche Finanzbehörde bis zu welchem Zeitpunkt auf welches Konto zu entrichten hat
- welchen Geldbetrag er in welcher Höhe bis zu welchem Zeitpunkt auf welches Konto der Staatskasse zu erbringen hat.
2.3.6.3 Fristsetzung
Rz. 63
Das Strafverfolgungsorgan (Rz. 56ff.) hat dem Tatbeteiligten eine angemessene Frist zur Zahlung zu setzen, wobei die Nachentrichtungsfrist für die Steuern aus § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO und die Frist zur Zahlung des Geldbetrags i. S. d. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO nicht zwingend identisch sein müssen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Frist zur Zahlung der Hinterziehungszinsen zwangsläufig von der Frist zur Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern abweicht (vgl. Rz. 34). Die Fristsetzung nach § 398a AO ist jedoch zwingend erforderlich, um dem Tatbeteiligten die Möglichkeit deutlich zu machen, dass er die Strafverfolgung bei Erfüllung der Auflagen verhindern kann.
Dies gilt selbst dann, wenn der Tatbeteiligte eindeutig seinen mangelnden Leistungswillen dokumentiert hat oder dem zuständigen Strafverfolgungsorgan die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit bekannt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahlungspflicht vom Tatbeteiligten nicht persönlich erfüllt werden muss (Rz. 55). Entbehrlich wäre die Fristsetzung nur bei einer vollständigen Akontozahlung.