2.1 Allgemeines
Rz. 3
Die selbstständige Rechtsstellung nach § 399 Abs. 1 AO i. V. m. § 386 AO im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren steht der Organisationseinheit Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO als solche zu, die durch den Vorsteher der einzelnen Behörde vertreten wird. Die Aufgaben können von jedem Amtsträger dieser Behörde innerhalb seines Aufgabenbereichs wahrgenommen werden. Nicht erforderlich ist, dass der Amtsträger, der die Ermittlungsmaßnahme angeordnet oder beantragt hat, die Befähigung zum Richteramt i. S. d. §§ 5–7 DRiG besitzt, wie sie für Staatsanwälte nach § 122 Abs. 1 DRiG erforderlich ist.
Allerdings ist in Anlehnung an die Ausbildung der bei der Staatsanwaltschaft beschäftigten Amtsanwälte eine vergleichbare Ausbildung in der Finanzbehörde vorauszusetzen, was bei Bediensteten des gehobenen Dienstes regelmäßig der Fall ist.
Die selbstständige Rechtsstellung nach § 399 Abs. 1 AO wird durch § 399 Abs. 2 AO eingeschränkt, wenn eine Zentralisierung der Strafverfolgungsaufgabe auf einzelne Finanzbehörden nach § 387 Abs. 2 AO erfolgt ist.
2.2 Einleitung des Ermittlungsverfahrens
Rz. 4
Wenn der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die selbstständige Ermittlungskompetenz in Steuerstrafsachen nach § 386 Abs. 2–4 AO eingeräumt ist, dann nimmt sie nach § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr. Sie bleibt organisatorisch zwar Finanzbehörde, nimmt aber die Aufgaben der Staatsanwaltschaft kraft eigenen Rechts wahr und handelt nicht in Vertretung der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat gegenüber der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO keine Weisungsbefugnisse im Einzelfall. Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO kann unter diesem Gesichtspunkt als Steuerstaatsanwaltschaft bezeichnet werden. Sie ist in diesem Fall Justizbehörde im funktionellen Sinne.
Rz. 5
Durch die Einräumung der staatsanwaltschaftlichen Rechtsstellung unterliegt auch die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO dem Legalitätsprinzip. Sie ist nach § 385 Abs. 1 AO i. V. m. § 152 Abs. 2 StPO verpflichtet, wegen aller Straftaten – auf die sich ihre selbstständige Ermittlungskompetenz erstreckt – einzuschreiten, d. h., das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu eröffnen, durchzuführen und zum Abschluss zu bringen. Dabei sind grundsätzlich auch anonyme Anzeigen zu prüfen, selbst wenn der Maßstab, ob diese tatsächlich einen Anfangsverdacht begründen, eher streng auszulegen ist. Das Legalitätsprinzip erfährt eine Einschränkung durch gesetzlich vorgesehene Opportunitätsentscheidungen, nach denen im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 153ff. StPO bzw. § 398 AO bestehen. Nur die Finanzbehörde in staatsanwaltschaftlicher Funktion kann von dieser gesetzlichen Einschränkung des Legalitätsprinzips Gebrauch machen, nicht aber die Steuerfahndung.
2.3 Durchführung des Ermittlungsverfahrens
Rz. 6
Nach § 160 Abs. 1 StPO hat die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. Hierbei ist sie gem. § 160 Abs. 2 StPO zur Objektivität verpflichtet und hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Im Rahmen der Ermittlungen hat die Finanzbehörde auch im Steuerstrafverfahren den an der Bedeutung der Sache zu messenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO hat also die ihr geboten erscheinenden Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen Sie kann dies selbst tun, kann sich aber nach § 161 StPO auch für die Durchführung der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, vornehmlich der Steuer- bzw. Zollfahndung, und der Polizeiorgane bedienen. Die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO ist Herrin des Steuerstrafverfahrens, auch wenn sie sich zur Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen fremder Organe bzw. Institutionen bedient.
Rz. 6a
Sofern die Finanzbehörde das Verfahren in eigener Zuständigkeit fü...