5.1 Rechtsweg
Rz. 18
Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind keine Abgabenangelegenheiten i. S. v. § 347 Abs. 2 AO, sodass der Finanzrechtsweg hierfür nicht gegeben ist. Das Strafverfahren ist kein Verwaltungsverfahren i. S. d. Gesetzes. Soweit die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO Funktionen im Strafverfahren wahrnimmt, ist sie ihrem Charakter nach nicht Verwaltungsbehörde, sondern Strafverfolgungsorgan. Für das Ermittlungsverfahren wegen Steuerstraftaten ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bereits aus § 385 Abs. 1 AO i. V. m. § 13 GVG.
Beispiele aus der Rspr.:
- Abgabe des Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft nach § 386 Abs. 4 S. 1 AO ist keine Abgabenangelegenheit.
- Verlängerung der Zahlungsfrist bei der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 Abs. 3 AO) ist keine Abgabenangelegenheit.
- Auskunftsersuchen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 93 AO in einem anhängigen Steuerstrafverfahren ist eine strafprozessuale Maßnahme und damit keine Abgabenangelegenheit. Demzufolge ist auch die Untersagung der Weiterleitung eines Auskunftsersuchens durch das BMF ins Ausland keine Abgabenangelegenheit.
- Entschädigung nach dem JVEG bei Auskunftserteilung an die Steuerfahndung in einem anhängigen Steuerstrafverfahren zur Vermeidung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist keine Abgabenangelegenheit.
- Ermittlungen der Steuerfahndung im Auftrag der Staatsanwaltschaft sind keine Abgabenangelegenheit, ebenso nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens. Dies gilt auch, wenn ein Amtsträger der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde i. S. v. § 6 AO im Auftrag der Fahndung ermittelt.
Rz. 19
Eine Änderung des Rechtscharakters der Maßnahmen tritt nach h. M. durch den Abschluss des Steuerstrafverfahrens ein. Wenn also Stpfl. nach Abschluss des Strafverfahrens Einsichtnahme in Strafakten begehren und die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO oder die Steuerfahndung die Akteneinsicht ablehnt, so ist auch dieses Annexverfahren eine Abgabenangelegenheit. Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht nach Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 147 StPO nicht mehr. Das Strafverfahren ist entweder abgeschlossen mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder mit der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (Strafbefehl, Urteil oder Einstellung). Der Rechtsschutz außerhalb des Strafverfahrens richtet sich allein nach abgabenrechtlichen Vorschriften. Auch ein Akteneinsichtsrecht nach der DSGVO scheidet in diesem Fall gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d. aus.
Aufgrund der Änderung des Rechtscharakters nach rechtskräftigem Abschluss vom Strafverfahrens hin zum Besteuerungsverfahren, richtet sich das Akteneinsichtsrecht für die beim FA geführten Akten ab diesem Zeitpunkt nach der AO. Gegen eine ablehnende Entscheidung der Finanzbehörde auf Akteneinsicht ist demnach der Finanzrechtsweg gegeben.
5.2 Strafprozessuale Rechtsmittel
5.2.1 Allgemeines
Rz. 20
Gegen die von der Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 S. 2 AO getroffenen Ermittlungsmaßnahmen ergibt sich der Rechtsschutz nach der StPO.
Grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt ein Vorgehen nach § 23 EGGVG gegen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden.
5.2.2 Rechtsschutz gegen Ermittlungshandlungen nach der StPO
Rz. 21
Gegen die Anordnung von Durchsuchungen oder Beschlagnahmen, die die Ermittlungsbehörden ohne einen richterlichen Beschluss wegen Gefahr im Verzuge getroffen haben, kann der Betroffene jederzeit eine richterliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO erwirken. Unerheblich ist dabei, ob er der ...