Rz. 42

Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten nicht zu vereinbaren; das Verbot des "venire contra factum proprium" gilt daher auch im Steuerrecht, und zwar zugunsten wie zulasten der Finanzverwaltung.[1] Wann und unter welchen Umständen es zum Tragen kommt, richtet sich nach den Einzelumständen des jeweiligen Rechtsverhältnisses. Z. B. würde es gegen das Verbot verstoßen, wenn die Finanzbehörde ein Bestätigungsschreiben des Stpfl., in dem dieser den Inhalt und das Ergebnis einer Besprechung mit der Finanzbehörde wiedergibt und die Erteilung einer bestimmten Zusage an ihn festhält, widerspruchslos hinnimmt, später aber eine Bindung an die Zusage ablehnt.[2]

 

Rz. 43

Unter das Verbot des venire contra factum proprium kann es auch fallen, wenn sich die Finanzbehörde nach einem ihr zuzurechnenden fehlerhaften Verhalten auf die im Gesetz vorgesehenen Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen beruft. Dies gilt z. B. für eine Änderung zuungunsten des Stpfl. i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn dem FA die "neue" Tatsache nur aufgrund der Verletzung seiner Ermittlungspflicht zunächst unbekannt geblieben war[3], ein gesetzlich vorgeschriebener Feststellungsbescheid über längere Zeit nicht ergeht und schützenswertes Vertrauen des Stpfl. vorliegt[4] oder sich eine unzuständige Finanzbehörde nach jahrelangem Tätigwerden später auf seine Unzuständigkeit beruft.[5] Andererseits kann die Schutzwürdigkeit des Stpfl. zu verneinen sein, wenn er sich selbst – ggf. neben der Finanzbehörde – fehlerhaft oder pflichtwidrig verhalten hat.[6]

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