3.1 Allgemeines
Rz. 9
Die Finanzbehörde kann beim Gericht nicht nur die Einziehung im objektiven Verfahren beantragen, sondern auch die selbstständige Anordnung einer Geldbuße gegen eine Personenvereinigung oder eine juristische Person. Damit wird eine juristische Person oder eine Personenvereinigung im Ergebnis für ein sanktionsbewehrtes Handeln ihres Repräsentanten bestraft.
Die Verhängung einer Verbandsgeldbuße schließt die Anordnung des Der Einziehung wegen derselben Tat aus.
3.2 Voraussetzungen
Rz. 10
Die Voraussetzungen ergeben sich im einzelnen aus § 30 OWiG. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift folgt der Verweisungskette aus § 401 AO, § 444 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1 S. 1 StPO. Demnach muss eine so genannte Anknüpfungstat verwirklicht worden sein. Für die Anwendbarkeit des § 401 AO muss es sich bei dieser Anknüpfungstat um eine Steuerstraftat nach § 369 Abs. 1 AO handeln. Daneben reicht es als Annex zur Steuerstraftat aus, wenn eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG vorliegt, wonach ein Betriebsinhaber oder eine sonstige Führungsperson ordnungswidrig handelt, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt. Auch in diesem Fall kommt die Verhängung einer Verbandsbuße nach § 30 OWiG in Betracht. Durch die Steuerstraftat muss gegen eine Pflicht, welche die juristische Person oder Personenvereinigung trifft, durch aktives Tun oder durch Unterlassen verstoßen worden sein (z. B. Nichtabgabe einer nach den Steuergesetzen gebotenen Steuererklärung oder -anmeldung). Schließlich muss der Täter dem in § 30 Abs. 1 Nr. 1–5 OWiG benannten Personenkreis angehören, also eine Vertretungs-, Vorstands- oder Leitungsfunktion innehaben und den Pflichtenverstoß in dieser Funktion begangen haben. Ist nicht ermittelbar, welche Person genau die Tat begangen hat, so kommt die Verhängung einer sog. anonymen Verbandsgeldbuße gegen die Personenvereinigung in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Tat und das Vorliegen der Deliktsmerkmale eindeutig nachweisen lässt. Kann nach den Ermittlungen nicht bewiesen werden, ob die Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist, so ist dies bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen.
Rz. 11
Wie bei der Einziehung (s. o. Rz. 4) kommt das objektive Verfahren nur dann zur Anwendung, wenn gegen den Täter aus tatsächlichen Gründen keine Strafe verhängt werden kann. Dazu gehört die Einstellung aus Opportunitätsgründen wegen Verhandlungsunfähigkeit oder Flucht des Täters. Dem ist ein Absehen von Strafe nach § 398a AO gleichzusetzen. Im Fall des § 398a AO ist eine Verfolgung der Steuerverkürzung unter den dort genannten Voraussetzungen nicht mehr möglich. Diese Norm ist, wie § 153a StPO, der sie nachempfunden ist, ein strafprozessuales Hindernis Dagegen ist ein Antrag auf Anordnung einer Verbandsbuße dann nicht möglich, wenn rechtliche Gründe gegen das subjektive Verfahren sprechen wie bei der Schuldunfähigkeit oder bei einer wirksamen Selbstanzeige nach § 371 AO.
3.3 Rechtsfolge
Rz. 12
Liegen die Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße vor, so kann diese im Falle einer vorsätzlich begangenen Anknüpfungstat bis zu 10 Millionen EUR betragen, bei Fahrlässigkeit bis zu 5 Millionen EUR. Handelt es sich bei der Anknüpfungstat um eine Ordnungswidrigkeit, so darf die Verbandsbuße nicht höher ausfallen als das Sanktionsmaß der verwirkten Ordnungswidrigkeit.
3.4 Wegfall des Hindernisses
Rz. 13
Fällt nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids gegen den Verband der Grund weg, weshalb es nicht zu einem subjektiven Verfahren gekommen ist, wenn also beispielsweise der flüchtige Vorstand der Strafverfolgung zugeführt wird, so berührt dies weder die Wirksamkeit der festgesetzten Geldbuße, noch die Strafbarkeit des Vorstandes oder die Möglichkeit der Ahndung. Vielmehr werden unterschiedliche Personen betroffen, so dem der Grundsatz, dass niemand für dasselbe Unrecht zwei Mal bestraft werden darf (ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG), nicht widersprochen wird.