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Steuerhinterziehungen können immer wieder im Zusammenhang stehen mit nichtsteuerlichen Delikten. In Betracht kommen vor allem Urkundenfälschungen, Betrug oder Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Nach allgemeiner Auffassung geht die Ermittlungszuständigkeit in diesen Fällen insgesamt auf die Staatsanwaltschaft über. Da nicht nur eine Steuerstraftat i. S. d. § 369 AO gegeben ist, besteht keine entsprechende Ermittlungskompetenz für die Finanzbehörde. Umstritten ist, ob sich die Ermittlungskompetenz auch dann auf die allgemeine Straftat erstreckt, wenn sie mit einer Steuerstraftat zusammentrifft. Unstreitig darf die Steuerfahndung nicht tätig werden, wenn ausschließlich Nichtsteuerstraftaten gegeben sein können. Ausnahmsweise besteht hier eine Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörde nach § 385 Abs. 2 AO, wenn es sich um eine sog. Vorspiegelungstat handelt, der Täter also steuerlich relevante Sachverhalte fingiert, um Steuervorteile zu erlangen. Bei allen anderen Nichtsteuerdelikten darf die Finanzbehörde nur tätig werden, wenn ihr eine entsprechende Ermittlungszuständigkeit ausdrücklich eingeräumt worden ist. Fraglich ist aber, ob die Steuerfahndung eine Ermittlungskompetenz hat, wenn eine Steuerstraftat oder eine ihr gleichgestellte Tat mit einer allgemeinen Straftat zusammentrifft. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nur bei positiver Annahme einer Ermittlungskompetenz der Fahndung verfahrensrechtliche Folgen der Maßnahmen, wie beispielsweise eine Verjährungsunterbrechung, eintreten.
Wurde einer einschränkende Ermittlungskompetenz der Fahndung ursprünglich noch kritisch begegnet, geht die nunmehr überwiegende Auffassung jedenfalls bei tateinheitlichem Zusammentreffen von Steuerstraftat und Allgemeindelikt von einer Ermittlungskompetenz der Fahndung aus. Dieser Auffassung ist zuzustimmen.
So vertritt auch der BGH die Auffassung, dass der Zollfahndung (und damit auch der Steuerfahndung) eine Ermittlungskompetenz zumindest in den Fällen zuzubilligen ist, in denen die verfolgte Steuerstraftat mit einer allgemeinen Straftat tateinheitlich zusammentrifft. Die Fahndung darf also tätig werden, wenn der Täter Mineralölprodukte aus einem Zolllager entwendet und dadurch sowohl Diebstahl als auch Steuerhinterziehung begeht. Die Entscheidung hat auch große Auswirkungen auf den Bereich der Ermittlungen in Verfahren, die Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des Markenrechts zum Gegenstand haben. Hier machen sich die Täter regelmäßig zusätzlich des Bannbruchs schuldig.
Nicht zu verkennen ist zudem, dass die Fahndungsbeamten in den hier relevanten Fällen als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ausschließlich deren Weisungen Folge leisten. Mit guten Argumenten lässt sich daher eine Zuständigkeit der Steuerfahnder gem. § 152 Abs. 1 GVG bejahen. Die Vorschrift des § 163 Abs. 2 S. 1 StPO, nach der die Polizei ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft übersendet, hat in der Praxis bei Routineermittlungen ohnehin kaum Bedeutung.