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Die Steuerfahndung ist nach § 158 StPO berechtigt und verpflichtet, die Anzeige von (Steuer-)Straftaten entgegenzunehmen. Die Strafanzeige ist die Mitteilung eines Sachverhalts, der nach Meinung des Anzeigenden Anlass für eine Strafverfolgung bietet. Sie kann mündlich oder schriftlich angebracht werden; die Formvorschrift des § 158 Abs. 2 StPO spielt bei Steuerstraftaten keine Rolle, da es sich durchweg um Offizial-, d. h. von Amts wegen zu verfolgende, Delikte handelt. Die Anzeige einer Steuerstraftat bei der Fahndung, für die bei den meisten Dienststellen ein besonderer Bereitschaftsdienst eingerichtet ist, kann dabei aus den unterschiedlichsten Richtungen kommen. So verpflichtet z. B. die wenig bekannte Vorschrift des § 116 AO alle Gerichte und Behörden, der Finanzbehörde Hinweise auf Steuerstraftaten zu offenbaren. Der größte Teil der Anzeigen kommt jedoch von den FÄ selbst aus der Verprobung von Kontrollmaterial, aus unschlüssigen Steuererklärungen oder -anmeldungen oder auch aus laufenden Betriebsprüfungen. Ein nicht unerheblicher Teil von Anzeigen geht auch aus der Bevölkerung ein. Bei namenlosen (anonymen) Anzeigen hat die Prüfung des Anfangsverdachts besonders sorgfältig zu erfolgen, zumal der Anzeigeerstatter durch das Verschweigen seiner Identität sich der Verantwortung aus § 164 StGB (falsche Verdächtigung) entzieht. Die Fahndung ist aber wegen des Legalitätsprinzips verpflichtet, konkreten und schlüssigen Anhaltspunkten nachzugehen und ggf. weitere Nachforschungen anzustellen. Besteht kein Anlass, einer Anzeige nachzugehen, sind die Gründe dafür aktenkundig zu machen. Nennt der Anzeigeerstatter seinen Namen, ist fraglich, ob die Offenbarung seiner Person dem Angezeigten gegenüber zulässig ist.
Vom Schutz des Steuergeheimnisses umfasst sind Hinweise auf einen Informanten der Finanzbehörde, insbesondere einen Anzeigeerstatter. Dieser Schutz erfasst sowohl den Namen des Informanten als auch Hinweise auf seine Identität, also der wortgenaue Inhalt einer schriftlichen Anzeige oder Schriftproben. Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen die preisgegebenen Informationen zutreffend sind. Anderenfalls ist das Interesse des Angezeigten an der Preisgabe der Identität höher zu bewerten als das Schutzinteresse des Informanten. Umstritten ist allerdings, ob sich diese für das Besteuerungsverfahren geltende Regelung auf das Strafverfahren übertragen lässt. Dies wird man jedenfalls für das Ermittlungsverfahren bejahen müssen, da in diesem Stadium nach § 147 Abs. 2 StPO noch die grundsätzliche Möglichkeit besteht, die Akteneinsicht zu verwehren. Erst mit Abschluss der Ermittlungen besteht ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht. Daher geht eine Auffassung davon aus, dass sich das Akteneinsichtsrecht im Strafverfahren allein nach § 147 StPO richtet und dieser einen Vorrang vor § 30 AO habe. Nach LG Mühlhausen soll das Steuergeheimnis nach § 30 AO auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jedenfalls vor Abschluss der Ermittlungen gelten, sodass ein Akteneinsichtsrecht nur insoweit bestehe, als die Person des Anzeigeerstatters geheim bleibe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Offenbarung der Daten des Anzeigeerstatters im Strafverfahren nach Abschluss der Ermittlungen durch die Gewährung von Akteneinsicht nach § 147 StPO dem Persönlichkeitsrecht des Anzeigenden nicht gerecht wird. Zudem würde damit die Geheimhaltungspflicht des Anzeigeerstatters im Besteuerungsverfahren unterlaufen werden. Vielmehr sind die gegenläufigen Interessen von Angezeigtem und Anzeigeerstatter gegeneinander abzuwägen. Dies folgt zum einen aus der Verpflichtung des Staates, gegenläufige Rechte mit gleichem Grundrechtsgewicht gegeneinander abzuwägen und möglichst schonend im Wege der praktischen Konkordanz aufzulösen. Hinzu kommt, dass auch mit der Einführung der DSGVO der Schutzgedanke individuellen Datenschutzes deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Wegen der erforderlichen Schutzgüterabwägung der widerstreitenden Interessen vor der Gewährung der Akteneinsicht kommt es im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht nach § 147 StPO darauf an, ob die Angaben des Informanten zutreffend waren. Nur in diesem Fall ist die Akteneinsicht in Bezug auf die Identität des Informanten zu versagen. Ist dies bis zum Abschluss des aus einer Anzeige resultierenden Strafverfahrens unklar, geht dies zu Lasten des Angezeigten. Besteht danach die Möglichkeit, dass durch eine unrichtige Anzeige der Tatbestand der falschen Verdächtigung erfüllt ist, besteht i. d. R. die Pflicht, dies der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Ist der namentlich benannte Anzeigeerstatter Zeuge und als solcher für das Verfahren von Bedeutung, ist sein Name grundsätzlich bekannt zu machen. In diesem Fall kommt eine Ausnahme nur bei Zeugenschutz in Betracht.