Rz. 28

Zunehmende (Beweis-)Bedeutung erlangen elektronische Daten. Zur Suche und Auswertung solcher Daten stehen der Steuerfahndung mittlerweile fast überall fachkundige Fahnder zur Verfügung. Computerhardware oder auf Datenträger gespeicherte Software sind "Gegenstand" i. S. d. § 94 StPO und damit unstreitig beschlagnahmefähig.[1] Beweisbedeutung haben i. d. R. aber die Daten, die selbst zwar nicht unmittelbar wahrnehmbar sind, dennoch unter den Begriff des Gegenstands fallen.[2] Sie werden "in anderer Weise"[3] durch Anfertigen einer Kopie sichergestellt. Ausnahmsweise kann aber auch die Hard- oder Software Beweisbedeutung erlangen, so z. B. wenn es sich um ein älteres, nicht mehr am Markt befindliches System handelt und die Daten sonst nicht mehr gelesen werden könnten. Bei einem Computer im Alleingewahrsam des Beschuldigten richtet sich die Durchsuchung nach § 102 StPO, bei einem Gewahrsam Dritter nach den strengeren Voraussetzungen des § 103 StPO. Auf die Durchsicht der Verzeichnisse ("directories") und einzelnen Dateien findet § 110 StPO Anwendung, die Durchsicht eines räumlich getrennten Speichermediums, z. B. des Speicherplatzes auf einem Server im Intra- oder Internet[4], regelt § 110 Abs. 3 StPO (s. Rz. 54), sofern vom Durchsuchungsort auf die externen Daten zugegriffen werden kann und die Daten sich im Inland befinden.[5]

Bei dieser Vorsichtung, bei der häufig eine entsprechende Suchsoftware eingesetzt wird, müssen von diesen Daten alle anderen getrennt werden, die sich nicht auf die den Anlass der Durchsuchung bildende Tat beziehen.[6] Die Beschlagnahme der gesamten Daten darf nicht pauschal damit begründet werden, dass eine etwaige Datenverschleierung nicht ausgeschlossen werden könne. Insofern gilt nichts anderes als für die Durchsicht von Papieren, die ebenso zeitnah durchgeführt werden muss, um den Eingriff in seiner Intensität zu legitimieren. Ist eine Durchsicht vor Ort nicht möglich, bleibt kein anderer Weg als die "Totalbeschlagnahme"; insofern besteht kein Unterschied zu gegenständlichen Dokumenten. In der Lit. wird als Lösung vorgeschlagen, die Daten in Gegenwart des Verteidigers vollständig zu kopieren, auf der Kopie grob zu sichten und Daten ohne Verfahrensbezug auf der Kopie zu löschen.[7]

Kann während der Durchsuchung nicht auf extern gespeicherte Daten zugegriffen werden, so kommt eine Durchsuchung an dem Ort in Betracht, wo der Server mit den externen Daten untergebracht ist, in der Regel beim Provider.[8]

Die Durchsuchung richtet sich dann nach den Voraussetzungen des § 103 StPO.

Die gezielte Suche nach Zufallsfunden ist nicht zulässig (vgl. Rz. 35). In diesen Fällen sowie bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die Beschränkung auf den Ermittlungszweck planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wird, ist ein Beweisverwertungsverbot angebracht.[9]

Bereits abgerufene und lokal gespeicherte E-Mails sind ebenfalls beschlagnahmefähig.[10] Nur solange sich die E-Mails noch beim Provider befinden oder generell nur im Wege des online-Zugriffs gelesen werden, unterliegen sie dem Fernmeldegeheimnis. Eine Auswertung kommt dann nur bei Verdacht eines schweren Falls der Steuerverkürzung unter den erschwerten Voraussetzungen des § 100a Abs. 2 Nr. 2a StPO in Betracht.[11] Die Beschlagnahme eines Handys, um die auf der SIM-Karte gespeicherten Daten über getätigte Anrufe auszuwerten, unterliegt den Voraussetzungen der §§ 100g und 100h StPO.[12] Es muss sich demnach um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handeln und die Beschlagnahme bedarf eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, nicht aber der Polizei (Steuerfahndung), ersetzt werden kann. Die Beschlagnahme eines Handys, um die in dem elektronischen Telefonbuch gespeicherten Telefonnummern auszulesen, richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 94ff. StPO, da es sich bei diesen Daten nicht um Telekommunikationsverbindungsdaten i. S. d. § 100g StPO handelt. Noch weitgehend ungeklärt ist dagegen, ob beim Beschuldigten aufgefundene, ausgedruckte Einzelverbindungsnachweise den Beschränkungen der §§ 100g und 100h StPO unterliegen. Da diese Vorschriften sich in direkter Anwendung nur auf die beim Netzbetreiber gespeicherten Daten beziehen, erscheint eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs überzogen und vom Zweck der Norm (Datenschutz) nicht mehr gerechtfertigt.

Das BVerfG[13] hat sich erneut mit der Frage der Zulässigkeit der Beschlagnahme von Verbindungsdaten auseinandergesetzt. Demnach sind Verbindungsdaten, die sich im Besitz des Empfängers befinden, vom Schutzbereich des Art. 10 GG und damit von den Beschränkungen der §§ 100g und 100h StPO ausgenommen. Es gelten die allgemeinen Anforderungen an Durchsuchung und Beschlagnahme, wobei allerdings dem erhöhten Schutzbedürfnis von Daten durch eine entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung genügend Rechnung zu tragen ist.

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