Rz. 1a

§ 407 Abs. 1 AO führt den vom Beginn des Ermittlungsverfahrens durchlaufenden Gedanken im gerichtlichen Verfahren fort, dass möglichst die besondere Sachkunde der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren nutzbar gemacht werden soll.[1] Die Verantwortung für die Anklage im gerichtlichen Verfahren verbleibt bei der Staatsanwaltschaft.[2]

Da die Notwendigkeit des Einsatzes dieser Sachkunde im Einzelfall meist nur von der Finanzbehörde selbst beurteilt werden kann, verpflichtet § 407 Abs. 1 S. 1 AO das Gericht allgemein, der Finanzbehörde Gelegenheit zu geben, die nach ihrer Auffassung für die richterlichen Entscheidungen bedeutsamen Gesichtspunkte vorzutragen. Diese Verpflichtung des Gerichts wird in den folgenden Sätzen der Vorschrift konkretisiert. Unberührt von § 407 AO bleibt das Recht des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 1 StPO zur Verhandlungsleitung.

[1] Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 407 AO Rz. 4; Webel, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 407 AO Rz. 2; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 407 AO Rz. 3.
[2] Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 386 AO Rz. 7.

2.1 Vorbringen bedeutender Gesichtspunkte (Abs. 1 S. 1)

2.1.1 Finanzbehörde

 

Rz. 2

Zu beteiligen ist die nach §§ 387390 AO sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO, die das Ermittlungsverfahren selbstständig durchgeführt und abgeschlossen hat.[1] Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren geführt, so ist zu beteiligen die "sonst zuständige" Finanzbehörde i. S. v. § 402 Abs. 1 AO, die Trägerin der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren bestehenden Beteiligungsrechte[2] ist.

Die Steuer- bzw. Zollfahndung[3] hat dagegen kein besonderes Beteiligungsrecht im gerichtlichen Steuerstrafverfahren[4], ihre Amtsträger kommen aber als Zeugen in Betracht.[5]

Eine Vernehmung als Sachverständige scheidet dagegen grundsätzlich aus, da das Gericht das Recht selbst anzuwenden hat.[6]

 

Rz. 2a

Die Finanzbehörde hat die gesetzlich eingeräumten Rechte als Organ der Rechtspflege auszuüben. Das Beteiligungsrecht besteht kraft Gesetzes. Das Gericht hat die Rechtspflicht, die Beteiligung zu ermöglichen. Ihm ist insoweit kein Ermessensspielraum eingeräumt.[7] Auf die Auswahl des die Rechtsstellung ausübenden Amtsträgers hat weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht Einfluss. Seine Bestimmung erfolgt im Rahmen der Organisationsgewalt der Finanzbehörde. Er braucht keine Befähigung zum Richteramt zu haben, es kann sich also um einen Vertreter des gehobenen Dienstes handeln.[8]

 

Rz. 2b

Für die Auslegung des § 407 AO und damit der Gestaltung der finanzbehördlichen Rechtsstellung im strafgerichtlichen Verfahren ist zu beachten, dass die Finanzbehörde ursprünglich Nebenkläger[9] im Verfahren war[10] und nach den Entwürfen diese Stellung behalten sollte.[11] Allerdings verfügt die Finanzbehörde nach dem aktuellen Strafprozessrecht nicht über die für einen Nebenkläger üblichen Rechte. Daher ist sie als Nebenbeteiligte eigener Art zu betrachten.[12] Damit gelten für sie nicht die besonderen strafprozessualen Rechte des Nebenklägers aus der StPO. Vielmehr sind für die Finanzbehörde die besonderen Regelungen der AO anwendbar, sowie die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren i. S. d. § 385 Abs. 1 AO.

§ 397 StPO kann für die Inhaltsbestimmung grundsätzlich insoweit entsprechend angewendet werden mit dem Unterschied, dass

  • die Finanzbehörde kein Antragsrecht hat. Sie hat lediglich die Befugnis, Anregungen und Empfehlungen zu geben sowie Bedenken zu äußern.
  • die Finanzbehörde kein Rechtsmittel einlegen kann.

Hierfür ist allein die Staatsanwaltschaft zuständig.

 

Rz. 2c

Die Finanzbehörde hat ein gesetzliches Mitwirkungsrecht. Die Finanzbehörde hat nach der AO keine Pflicht zur Beteiligung.[13] Weder das Gericht noch der Angeschuldigte bzw. Angeklagte haben einen Rechtsanspruch darauf, dass sich die Finanzbehörde beteiligt. Umgekehrt besteht kein Anspruch des Angeklagten – oder eines Nebenbeteiligten – auf Ausschließung des Vertreters der Finanzbehörde wegen der Besorgnis der Befangenheit.[14] Ein solcher wird auch nicht durch behördeninterne Anweisungen begründet. In der Folge begründet die Abwesenheit eines Vertreters der Finanzbehörde, sofern ihm die Beteiligung ermöglicht worden ist, in der Hauptverhandlung keinen Revisionsgrund.

 

Rz. 2d

Der Amtsträger der Finanzbehörde kann auch als Zeuge durch das Gericht vernommen werden. Hier gilt grundsätzlich die gleiche Rechtslage wie für den Staatsanwalt.[15] Das dienstliche Anwesenheitsrecht hindert seine Ausschließung als Zeuge. Da für die Finanzbehörde nach der AO aber keine Anwesenheitspflicht besteht, muss während der Vernehmung des Amtsträgers allerdings kein zweiter Sitzungsvertreter der Finanzbehörde anwesend sein.[16] Hält das Gericht im Hinblick auf die Zeugenstellung die dauernde Anwesenheit des Amtsträgers bei der Verhandlung für nicht zweckdienlich, muss es einvernehmlich mit der Finanzbehörde eine abweichende Vertretungsregelung erwirken.[17]

Die Vernehmung des Vertreters der Finanzbehörde als Zeuge darf, ebenso wie die Vernehmung von Bediens...

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