3.1.1 Begriff des Scheingeschäfts
Rz. 55
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Dies kann zivil- und steuerrechtlich nur einheitlich beurteilt werden. Setzen die von den Vertragsparteien gewollten steuerrechtlichen Folgen eines Geschäfts dessen zivilrechtliche Wirksamkeit voraus, ist von einem ernstgemeinten Rechtsgeschäft auszugehen, wenn keine Anhaltspunkte für die Absicht der Steuerhinterziehung sprechen. Ein Scheingeschäft liegt nur vor, wenn sich die Beteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind. Bei Geschäftsabschlüssen durch Vertreter finden insoweit die Vorschriften des § 166 BGB entsprechende Anwendung. Die Vorschriften über das Scheingeschäft betreffen nur empfangsbedürftige Willenserklärungen. Auf streng einseitige Rechtsgeschäfte wie das Testament finden sie keine Anwendung.
Der einseitige Vorbehalt einer Vertragspartei, das von ihr Erklärte nicht zu wollen (sog. geheimer Vorbehalt), lässt die Wirksamkeit der von ihr abgegebenen Willenserklärung unberührt. Anders verhält es sich nur, wenn der Erklärungsempfänger den Vorbehalt kennt. In diesem Fall ist die Willenserklärung nichtig und das auf ihr beruhende Rechtsgeschäft wie ein Scheingeschäft zu behandeln.
Wird eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, handelt es sich um eine sog. Scherzerklärung, die nach § 118 BGB nichtig ist. Damit fällt das auf ihr beruhende Rechtsgeschäft an sich in den Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 AO. Der Fall, dass die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eines solchen Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen, ist praktisch allerdings kaum vorstellbar, sodass seine steuerliche Behandlung im Ergebnis derjenigen eines Scheingeschäfts entsprechen dürfte.
Rz. 56 einstweilen frei
3.1.2 Einzelabgrenzung
Rz. 57
Keine Scheingeschäfte sind Umgehungsgeschäfte, mit denen die Beteiligten durch die von ihnen gewählte Gestaltung steuerliche Belastungen vermeiden oder steuerliche Vorteile erlangen wollen. Diese Rechtsgeschäfte sind im Hinblick auf die mit ihnen erstrebten Rechtsfolgen ernsthaft gewollt. Rechtlicher Prüfungsmaßstab ist bei ihnen daher nicht § 41 Abs. 2 AO, sondern § 42 AO.
Rz. 58
Treuhandgeschäfte, mit denen der Treugeber dem Treuhänder im Außenverhältnis mehr an Rechten überträgt, als dieser nach der im Innenverhältnis getroffenen Treuhandabrede ausüben darf, sind ebenfalls keine Scheingeschäfte, wenn die Übertragung des Vollrechts im Außenverhältnis ernstlich gewollt ist. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO ist das Wirtschaftsgut steuerlich allerdings dem Treugeber zuzurechnen. Zur Abgrenzung zwischen Scheingeschäft und verdeckter Treuhand s. BFH v. 14.8.2007, X B 147/06, BFH/NV 2007, 2073.
Rz. 59
Die Beurteilung von Strohmanngeschäften hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Strohmanngeschäft liegt vor, wenn jemand (als sog. "Strohmann") im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen (sog. "Hintermann") auftritt, der nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will. Zivilrechtlich ist in diesem Fall grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind diesem Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" in seinem Namen berechtigterweise ausgeführt hat. Als Scheingeschäft unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft hingegen, wenn der Strohmann und sein Vertragspartner einverständlich davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Vertragspartner und dem "Hintermann" eintreten sollen.