5.2.1.1 Rechtliche Gestaltung
Rz. 71
Gegenstand der Angemessenheitsprüfung ist eine rechtliche Gestaltung. Darunter ist der rechtliche Zustand zu verstehen, der unter Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts herbeigeführt worden ist.
Die Herbeiführung dieses Zustands muss nicht notwendigerweise in einem Schritt erfolgen, sondern kann auch das Ergebnis mehrerer aufeinander folgender Gestaltungsakte bilden. Nach der sog. Gesamtplanrechtsprechung des BFH kann eine auf einheitlicher Planung beruhende und in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung mit der Folge zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen sein, dass die Angemessenheitsprüfung nicht auf die Ergebnisse der einzelnen Teilakte, sondern auf den durch ihr Zusammenwirken herbeigeführten Endzustand zu beziehen ist. Allerdings gibt es keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen ist. Vielmehr kann im konkreten Einzelfall lediglich Anlass zu der Prüfung bestehen, ob die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO vorliegen oder ob eine Norm des materiellen Steuerrechts teleologisch dahingehend auszulegen ist, dass sie auf einen bestimmten Lebenssachverhalt nicht angewendet wird, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut nach verwirklicht ist. Grundlage der Steuerrechtsanwendung ist dabei jeweils die zivilrechtliche Gestaltung. Ein daneben bestehendes oder darüber hinausgehendes Rechtsinstitut eines "Gesamtplans" gibt es nicht. Ein Gesamtplan ist zu verneinen, wenn es wirtschaftliche Gründe für die einzelnen Teilakte gibt und diese nicht lediglich dazu bestimmt sind, die Erreichung des Endzustands zu fördern.
5.2.1.2 Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung
Rz. 72
Der Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten setzt eine unangemessene rechtliche Gestaltung voraus. Auf eine nähere Umschreibung dieses Begriffs hat der Gesetzgeber in der wohl richtigen Erkenntnis verzichtet, dass dies nur unter Verwendung von Rechtsbegriffen möglich wäre, die ihrerseits ebenso unbestimmt und ausfüllungsbedürftig sein müssten wie der dadurch zu definierende Begriff selbst.
Rz. 73
Bis zur Neufassung des § 42 AO durch das JStG 2008 tauchte der Begriff "unangemessen" im Gesetzestext nicht auf. In der Rspr. des BFH wurde die Unangemessenheit der gewählten Gestaltung aber von jeher als Abgrenzungsmerkmal zwischen dem zulässigen Gebrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Ziel, keine oder möglichst geringe Steuern zu zahlen, und ihrem unzulässigen Missbrauch angesehen. Dabei wurde die Unangemessenheit zunächst allein aus dem Verhältnis der Gestaltung zu dem mit ihr erstrebten Zweck abgeleitet. Die Rechtsgestaltung wurde als unangemessen angesehen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Später kam die bis heute geläufige Formel in Gebrauch, dass eine rechtliche Gestaltung (erst) dann unangemessen sei, wenn der Stpfl. nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebrauche, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wähle, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein solle. Damit wurde der in älteren Entscheidungen im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogene Gesichtspunkt, dass der Stpfl. nicht die vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung für typisch gehaltene Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele gebraucht habe, auf das Einzelmerkmal der Unangemessenheit bezogen. Daran hat der BFH in einer zur Neufassung des § 42 AO ergangenen Entscheidung festgehalten.
Rz. 74
Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sich der normative Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit nicht aus § 42 AO selbst ergebe, sondern dem potentiell umgangenen Steuergesetz entnommen werden müsse. Daraus wird eine dreistufige Prüfungsreihenfolge abgeleitet, auf deren letzter Stufe zu beurteilen sein soll, ob es dem Sinn und Zweck sowie den Wertungen des umgangenen Steuergesetzes entspricht, dass die gewählte Gestaltung andere Auswirkungen auf die Erfüllung seines Tatbestands hat als alternativ in Betracht kommende Gestaltungen.
Rz. 75
Damit wird der Begriff der Unangemessenheit unnötig überfrachtet. Die Frage, ob das mit der Gestaltung verfolgte Ziel nach dem Willen des Gesetzgebers a...