Rz. 90
Nach Abs. 2 S. 2 liegt trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 2 S. 1 kein Missbrauch vor, wenn der Stpfl. für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Auch diese Ausnahme war in der Rspr. des BFH von jeher anerkannt. Neu ist, dass das Gesetz dem Stpfl. mit dem Erfordernis des Nachweises insoweit ausdrücklich die Feststellungslast auferlegt.
Unter Gründen sind die Beweggründe des Stpfl. für die Wahl der nach Abs. 2 S. 1 objektiv missbräuchlichen Gestaltung zu verstehen. Insofern enthält Abs. 2 S. 2 ein negatives subjektives Tatbestandsmerkmal in dem Sinne, dass es beim Vorliegen beachtlicher außersteuerlicher Gründe an einem zielgerichteten Verhalten zur Erlangung des gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils fehlt.
Außersteuerliche Gründe sind solche, die nicht auf Steuerersparnis abzielen. Das können wirtschaftliche oder persönliche, aber auch im nichtsteuerlichen Bereich liegende rechtliche Gründe sein. Steuerliche Gründe, die eine andere Steuerart betreffen, sind unbeachtlich. Ob eine aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht missbräuchliche Gestaltung den ertragsteuerrechtlichen Interessen der Beteiligten gerecht wird, ist deshalb ohne Belang.
Rz. 91
Die außersteuerlichen Gründe müssen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sein. Dies wird in der Literatur zum Teil davon abhängig gemacht, ob "ihre Verfolgung nach den Wertungen des Gesetzgebers steuerlich zu berücksichtigen ist" bzw. "vom Steuerrecht akzeptiert" wird. Dies ist jedoch eine Argumentation mit dem Thema probandum, weil es gerade von der Beachtlichkeit der außersteuerlichen Gründe abhängt, ob sie vom Steuerrecht akzeptiert werden.
Das Urteil über die Beachtlichkeit erfordert eine Gewichtung der außersteuerlichen Gründe im Verhältnis zu den steuerlichen Gründen. Nach Vorstellung des Gesetzgebers sind die außersteuerlichen Gründe nicht beachtlich, wenn sie "nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht wesentlich oder sogar nur von untergeordneter Bedeutung sind". Andererseits verlangt § 42 Abs. 2 S. 2 AO keine "triftigen" Gründe i. S. v. § 6 Abs. 3 S. 1 UmwStG. Auch die Notwendigkeit eines Überwiegens der außersteuerlichen Gründe lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, da eine solche Anforderung sprachlich leicht hätte zum Ausdruck gebracht werden können. Für eine Gewichtung "im Vergleich zum Ausmaß der Unangemessenheit der Gestaltung und den vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen" dürften sich kaum geeignete Maßstäbe entwickeln lassen.
U. E. sind die außersteuerlichen Gründe im Hinblick auf ihren Charakter als negatives subjektives Tatbestandsmerkmal als beachtlich anzusehen, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sie Einfluss auf die Wahl der Gestaltung gehabt haben, sie also nicht lediglich vorgeschoben sind. Dies bleibt notwendigerweise eine Frage des Einzelfalls.
Rz. 92
Da es sich bei den außersteuerlichen Gründen um innere Tatsachen handelt, die keinem unmittelbaren Nachweis zugänglich sind, kann sich die dem Stpfl. auferlegte Nachweispflicht nur auf die äußeren Umstände beziehen, die den Schluss auf das Vorliegen der geltend gemachten außersteuerlichen Gründe ermöglichen. Insoweit trifft den Stpfl. die Darlegungs- und Feststellungslast. Da es sich um Sachverhalte in der Sphäre des Stpfl. handelt, dürfte die im Grundsatz fortbestehende Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde nach § 85 AO in diesem Zusammenhang kaum praktische Bedeutung haben.
Nicht Gegenstand der Nachweispflicht ist die Beachtlichkeit der außersteuerlichen Gründe als solche. Es handelt sich dabei nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung, die auf der Grundlage der von dem Stpfl. nachgewiesenen Tatsachen vorzunehmen ist und uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt.
Rz. 93–99 einstweilen frei