Rz. 121
Durch Veräußerung und Erwerb von Anteilen ist vielfach versucht worden, auf Veräußerungsgewinne und Veräußerungsverluste nach § 17 EStG Einfluss zu nehmen. Daher gibt es eine umfangreiche höchstrichterliche Rspr. zur Frage des Gestaltungsmissbrauchs durch solche Veräußerungen und Erwerbe. Weit überwiegend hat der BFH allerdings das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs abgelehnt. Durch § 23 Abs. 2 S. 2 EStG, der einen Anwendungsvorrang des § 23 EStG vor § 17 EStG begründet, und § 17 Abs. 2 S. 6 EStG, der die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts grundsätzlich von einer Mindesthaltedauer von fünf Jahren abhängig macht, sowie durch die Herabsetzung der Wesentlichkeitsschwelle auf 1 Prozent hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit vorhandene Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt bzw. die von ihnen ausgehenden Anreize eingeschränkt.
Rz. 122 einstweilen frei
Rz. 123
Veräußert ein wesentlich beteiligter Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seinen Geschäftsanteil zu einem vereinbarten unangemessen niedrigen Teilkaufpreis, so bedeutet dies keinen Gestaltungsmissbrauch, wenn sämtliche Geschäftsanteile an der Familiengesellschaft in einem einheitlichen Vorgang und zu einem Gesamtkaufpreis veräußert werden. Überträgt ein innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligter Gesellschafter seinem Sohn unentgeltlich GmbH-Anteile, die dieser unmittelbar danach an eine GmbH, deren Gesellschafter er ist, weiterveräußert, kann der Sohn den nach den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers ermittelten Veräußerungsverlust auch dann geltend machen, wenn der Zweck der Geschäfte darin liegt, die vom Vater getragenen Verluste noch kurz vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens in voller Höhe steuermindernd zu realisieren.
Verschenkt ein wesentlich beteiligter Aktionär an seine minderjährigen Kinder jeweils fünf Aktien und veräußern diese jeweils zwei Aktien an einen dritten Erwerber, genügt ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Schenkung und Veräußerung allein nicht, um von einer wegen Gestaltungsmissbrauchs unbeachtlichen Zwischenschaltung der Kinder auszugehen, wenn nicht festgestellt ist, dass der Verkauf der Aktien vor der Schenkung bereits verhandelt und beschlossen war.
Die Veräußerung von GmbH-Anteilen an eine von den Gesellschaftern der GmbH neu gegründete, beteiligungsidentische GmbH ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Anteile zu einem Zeitpunkt veräußert wurden, als die Veräußerung noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterlag, oder weil sich die Tätigkeit der neu gegründeten GmbH auf das Halten der veräußerten Anteile beschränkte.
Die verlustbringende Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils i. S. des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG an einen Mitgesellschafter ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Veräußerer in engem zeitlichen Zusammenhang von einem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschaft erwirbt.
Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt nicht vor, wenn die zu gleichen Teilen beteiligten Gesellschafter einer GmbH zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme in gleicher Höhe Einzahlungen in das Gesellschaftsvermögen leisten, damit die GmbH ihre betrieblichen Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Gläubigern ablösen kann, und ihnen dadurch nachträgliche Anschaffungskosten auf ihre Beteiligungen entstehen.