2.1 Begriff der Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 10
Der Begriff der Gesamtrechtsnachfolge ist aus dem Zivilrecht übernommen. Er bezeichnet den Fall, dass das Vermögen einer Person als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen übergeht. Anders als die Einzelrechtsnachfolge, die nach dem Spezialitätsgrundsatz die Übertragung jedes einzelnen Vermögensgegenstands nach den dafür geltenden Vorschriften erfordert, vollzieht sich die Gesamtrechtsnachfolge in einem einheitlichen Vorgang und ist mit dem Wegfall des bisherigen Rechtsträgers (z. B. durch den Tod einer natürlichen Person) verbunden.
Die Gesamtrechtsnachfolge kann nicht rechtsgeschäftlich vereinbart werden, sondern tritt nur in den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen ein. Dem steht nicht entgegen, dass das Gesetz – insbesondere auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts – die Wirkungen der Gesamtrechtsnachfolge an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts knüpft. Kein Fall der Gesamtrechtsnachfolge i. S. v. § 45 AO liegt vor, wenn – wie in den Fällen der umwandlungsrechtlichen Spaltung- nicht das gesamte Vermögen des bisherigen Rechtsträgers, sondern nur ein bestimmter Teil auf eine oder mehrere andere Personen übergeht oder wenn verschiedene Teile des Vermögens auf jeweils unterschiedliche Personen übergehen.
Rz. 11 einstweilen frei
2.2 Fälle der Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 12
Gesamtrechtsnachfolge i. S. v. § 45 AO tritt insbesondere in folgenden zivilrechtlich geregelten Fällen ein:
- bei Erbfolge einschließlich Nacherbfolge und Fiskalerbschaft;
- bei Nachfolge des Fiskus in das Vermögen einer erloschenen Stiftung oder eines erloschenen Vereins;
- bei Verschmelzung von Gesellschaften durch Aufnahme oder Neugründung und der Vermögensübertragung im Wege der Vollübertragung;
- bei Anwachsung des Anteils am Vermögen einer Personengesellschaft, wenn alle Gesellschafter bis auf einen aus der Gesellschaft ausscheiden und der verbleibende Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation übernimmt.
Nach verbreiteter Ansicht soll auch die Begründung der ehelichen Gütergemeinschaft zu einer Gesamtrechtsnachfolge führen, weil das Vermögen des Ehemanns und das der Ehefrau dadurch zu gemeinschaftlichem Vermögen der Eheleute werden.
Dagegen spricht jedoch, dass evtl. vorhandenes Sonder- und Vorbehaltsgut von dieser Vergemeinschaftung ausgenommen sind, sodass sich diese nicht notwendigerweise auf das gesamte Aktivvermögen der Ehegatten erstreckt. Außerdem liegt die Rechtsträgerschaft auch hinsichtlich des Gesamtguts ungeachtet seiner gesamthänderischen Bindung nicht bei der Gütergemeinschaft als solcher, sondern bei den Ehegatten, sodass die Begründung der Gütergemeinschaft nicht zu einer Ersetzung der bisherigen durch einen neuen Rechtsträger führt. Schließlich bleiben die Ehegatten auch Schuldner der Gesamtgutsverbindlichkeiten.
Rz. 13 einstweilen frei
Rz. 14
Keine Gesamtrechtsnachfolge tritt ein
- bei Hoferbnachfolge i. S. v. § 4 der Höfeordnung in den ehemals zur britischen Besatzungszone gehörenden Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wenn der Hoferbe nicht zugleich als Miterbe am hoffreien Vermögen beteiligt ist;
- bei Erwerb durch Vermächtnis, Geltendmachung des Pflichtteils, Erbschaftskauf und Schenkung an den künftigen Erben.
- bei Erwerb eines Handelsgeschäfts unter Lebenden i. S. v. § 25 HGB;
- bei Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft;
- bei Übertragung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf ihren einzigen Gesellschafter;
- bei Anwachsung des Anteils am Vermögen einer Personengesellschaft durch Ausscheiden eines oder mehrerer Gesellschafter, wenn mehrere Gesellschafter in der Gesellschaft verbleiben, da sich nur die Beteiligungsquoten der Gesellschafter verschieben, die Gesellschaft als Rechtsträgerin ihres Vermögens aber bestehen bleibt;
- bei Auflösung einer Personengesellschaft im Wege der Realteilung;
- bei formwechselnder Umwandlung, weil der formwechselnde Rechtsträger hierdurch nicht erlischt, sondern gem. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in der durch den Umwandlungsbeschluss bestimmt...