3.1 Übergang der Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis (Abs. 1 S. 1)
Rz. 18
Nach § 45 Abs. 1 S. 1 AO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die "Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis" auf den Rechtsnachfolger über. Unter "Forderungen" sind die in § 37 Abs. 1 AO bezeichneten "Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis", unter "Schulden" die ihnen auf der Schuldnerseite entsprechenden Verbindlichkeiten zu verstehen. Beide Begriffe sind aus der Sicht der an dem Übergang beteiligten Personen zu bestimmen. Als Forderungen kommen daher nur Erstattungsansprüche sowie Ansprüche auf Steuervergütungen nebst darauf entfallenden Zinsansprüchen in Betracht. Schulden können sich auf alle Ansprüche mit Ausnahme von Steuervergütungsansprüchen beziehen. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in die jeweilige Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein und wird an dessen Stelle Gläubiger oder Schuldner.
Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Fiskus (gesetzlicher) Erbe ist. Allerdings geht der Anspruch in diesem Fall durch die Vereinigung von Forderung und Schuld (Konfusion) unter, soweit die zum gesetzlichen Erben berufene Körperschaft zugleich Gläubiger der übergegangenen Schuld bzw. Schuldner der übergegangenen Forderung ist. Handelt es sich um die steuerverwaltende Körperschaft, geht der Anspruch unabhängig von der Regelung der Ertragshoheit in voller Höhe unter, weil diese nach dem entsprechend anwendbaren § 226 Abs. 4 AO als Gläubiger bzw. Schuldner des (gesamten) Anspruchs gilt.
Hat der Rechtsnachfolger vor dem Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge für die Schuld des Rechtsvorgängers gehaftet oder war er Schuldner eines Anspruchs, für den der Rechtsvorgänger haftete, so vereinigen sich Steuer- und Haftungsschuld in seiner Person. Wird ein Gesamtschuldner Rechtsnachfolger des oder aller anderen Gesamtschuldner, verwandelt sich die Gesamtschuld in eine – allerdings auf unterschiedlichen Schuldgründen beruhende – Einzelschuld Bei zusammen veranlagten Ehegatten, die Gesamtschuldner rückständiger Steuern sind, kann auch der Ehegatte, der Gesamtrechtsnachfolger seines verstorbenen Ehepartners ist, eine Aufteilung der Steuern nach den §§ 268ff. AO mit der Folge beantragen, dass er nur für den auf ihn entfallenden Teil der Gesamtschuld ohne die ihm als Erben offenstehende Möglichkeit der Haftungsbeschränkung (s. Rz. 45) einzustehen hat.
Rz. 19 einstweilen frei
Rz. 20
Gegenstand des durch § 45 Abs. 1 S. 1 AO angeordneten Übergangs sind nur diejenigen Forderungen und Schulden, die bei Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge bereits i. S. v. § 38 AO entstanden waren, weil noch in der Person des Rechtsvorgängers der Tatbestand verwirklicht wurde, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Bei Steueransprüchen, die – wie die ESt, KSt oder USt – mit Ablauf eines bestimmten Besteuerungszeitraums entstehen, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich, obwohl die Steuer nur nach den noch von dem Rechtsvorgänger verwirklichten Besteuerungssachverhalten bemessen werden kann. Ob der Anspruch gegenüber dem Rechtsvorgänger bereits festgesetzt worden oder fällig war, ist für den Übergang auf den Gesamtrechtsnachfolger unerheblich. Soweit die übergegangenen Forderungen und Schulden noch einer Festsetzung bedürfen, sind die entsprechenden Bescheide gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger zu erlassen.
Rz. 21
Zu den auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehenden Forderungen und Schulden gehören – abgesehen von den gegenüber dem Erblasser festgesetzten Zwangsgeldern – auch die in der Person des Rechtsvorgängers entstandenen steuerliche Nebenleistungen. Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen ist nicht deswegen zwingend zurückzunehmen, weil Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist und der Abgabepflichtige, dessen Verhalten die Festsetzung veranlasst hat, nicht weiterhin als Schuldner in Anspruch genommen werden kann.
Rz. 22
Der Zustand, den die Forderungen und Schulden in der Person des Rechtsvorgängers hatten, wird durch die Rechtsnachfolge nicht verändert. Das gilt für die Fälligkeit ebenso wie für Stundung, Aussetzung der Vollziehung oder Aussetzung der Vollstreckung, die dem Rechtsvorgänger gewährt wurden. Fristen, deren Lauf vor Eintritt der Rechtsnachfolge begonnen hatte, laufen unverändert weiter. Für den Erbfall sieht § 171 Abs. 12 AO allerdings eine Ablaufhemmung vor. War eine Frist vor dem Eintritt der Rechtsnachfolge abgelaufen, wirkt dies auch für und gegen den Rechtsnachfolger. Der Gesamtrechtsnachfolger muss auch die durch das Verhalten seines Vorgängers begründete Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO bei Steuerhinterziehung auf zehn Jahre und bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre gegen sich gelten lassen. Unterbrechungen und Hemmungen der Verjährung gelten auch für und gegen den Rechtsnachfolger.
Rz. 23–24 einstweilen frei