3.2.1 Grundsatz
Rz. 25
Ungeachtet des auf Forderungen und Schulden beschränkten Wortlauts des § 45 Abs. 1 S. 1 AO leitet der BFH in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materiell-rechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintritt. Der Gesamtrechtsnachfolger muss daher die von dem Rechtsvorgänger verwirklichten Merkmale des steuerbegründenden Tatbestands gegen sich gelten lassen. Umgekehrt bestimmen sich auch die Voraussetzungen von Steuerbefreiungen, -ermäßigungen und -vergünstigungen nach den Verhältnissen des Rechtsvorgängers. Ausgenommen davon sind lediglich höchstpersönliche Verhältnisse und unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpfte Umstände. Ob und in welchem Umfang der Gesamtrechtsnachfolger in steuerrechtliche Positionen eintritt oder diese wegen ihres höchstpersönlichen Charakters und ihrer unlösbaren Verknüpfung mit der Person ihres Inhabers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können, ist unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiell-rechtlichen Normen und Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes zu entscheiden.
3.2.2 Einzelsteuern
Rz. 26
Bei der Einkommensteuer endet mit dem Tod des Erblassers dessen subjektive Steuerpflicht. Entsprechendes gilt bei der Körperschaftsteuer mit dem Untergang des Steuersubjekts. Da die ESt und die veranlagte KSt erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehen, ist die Steuer für den letzten Veranlagungszeitraum nach dem von dem Rechtsvorgänger bis zum Wegfall der subjektiven Steuerpflicht erzielten (zu versteuernden) Einkommen gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger festzusetzen. Einkünfte, die der Gesamtrechtsnachfolger in eigener Person aus der Fortsetzung der von dem Rechtsvorgänger ausgeübten Tätigkeit oder aus von ihm begründeten Rechtsverhältnissen erzielt, sind ihm unmittelbar zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn über den Nachlass des Erblassers Nachlassverwaltung oder Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Um die Abgrenzung der von dem Rechtsvorgänger und der von dem Gesamtrechtsnachfolger selbst erzielten Einkünfte zu gewährleisten, ist bei betrieblichen Einkünften auf den Zeitpunkt des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge eine Zwischenbilanz aufzustellen bzw. eine Einnahmen-Überschussrechnung zu erstellen.
Rz. 27
In der Person des Rechtsvorgängers gebildetes Betriebsvermögen verliert diese Eigenschaft nicht allein wegen des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge. Bei der Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter ist der Rechtsnachfolger an die Werte des Rechtsvorgängers gebunden. Auch die Gewinnermittlungsart, Abschreibungsmethoden und die Ausübung von Wahlrechten kann er nur unter den allgemein geltenden Voraussetzungen ändern. Die Umstellung des Wirtschaftsjahres eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangenen Unternehmens auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum bedarf des Einvernehmens des FA. Für die notwendigen Korrekturen bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart sind die Verhältnisse während der Besitzzeit des Rechtsvorgängers maßgebend zu berücksichtigen. Auf die für die Gewährung der Reinvestitionsbegünstigung geltende Sechsjahresfrist des § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG ist die Besitzzeit des Rechtsvorgängers anzurechnen. Für die Berechnung der Veräußerungsfrist bei privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG ist der Zeitpunkt der Anschaffung durch den Rechtsvorgänger maßgeblich. Bei zur Einkunftserzielung verwendeten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens bemessen sich die AfA nach den Verhältnissen des Rechtsvorgängers.
Rz. 28
Die für die Zuordnung zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG maßgebenden Eigenschaften des Rechtsvorgängers als Wissenschaftler, Künstler oder Angehöriger eines Katalogberufs gehen nicht auf den Rechtsnachfolger über. Die Beibehaltung der bisherigen Einkunftsart ist daher nur insoweit möglich, als der Rechtsnachfolger die dafür erforderlichen Voraussetzungen in seiner eigenen Person erfüllt. Anders verhält es sich bei nachträglichen Einkünften i. S. d. § 24 Nr. 2 EStG, die dem Rechtsn...