4.1 Grundsatz der Unzulässigkeit (Abs. 4 S. 1)
Rz. 48
Nach § 46 Abs. 4 S. 1 AO ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig. Eine entgegen dieser Vorschrift vorgenommene Abtretung ist – wie sich aus § 46 Abs. 5 Halbs. 2 AO ergibt – nichtig und stellt nach § 383 AO eine Ordnungswidrigkeit dar. Das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs soll den Erstattungs- oder Vergütungsberechtigten davor schützen, bei der Abtretung des Anspruchs übervorteilt zu werden. Es gilt aber unabhängig davon, ob im konkreten Einzelfall ein solches Schutzbedürfnis besteht. Eine Ausnahme von dem Verbot gilt für Sicherungsabtretungen an Unternehmen, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist. Keine Anwendung findet die Vorschrift auf die Abtretung von KSt-Guthaben und KSt-Minderungen.
Rz. 49
Erwerb ist jeder Rechtsvorgang, durch den die Gläubigerstellung im Wege des Übergangs des Forderungsrechts von dem bisherigen Rechtsinhaber erlangt wird. Die bloße Ermächtigung zur Einziehung und Inempfangnahme der Leistung stellt keinen Erwerb dar. Die Frage, ob die Gläubigerstellung im Wege des Übergangs des Forderungsrechts erlangt wird, beurteilt sich ausschließlich danach, wer nach steuerrechtlichen Vorschriften originärer Forderungsinhaber war. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Abtretenden und dem Abtretungsempfänger kommt es nicht an. Ein Erwerb i. S. v. § 46 Abs. 4 S. 1 AO liegt daher auch dann vor, wenn der abgetretene ESt-Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers aufgrund eines nach ausländischem Recht zu beurteilenden Arbeitsvertrags (zivilrechtlich) dem Arbeitgeber zusteht.
Zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung erfolgt der Erwerb, wenn der neue Forderungsinhaber dadurch in den Genuss des mit der Verwirklichung des Anspruchs verbundenen wirtschaftlichen Werts kommen soll. Dies kann außer durch Einziehung insbesondere durch Weiterübertragung der Forderung geschehen.
Rz. 50
Geschäftsmäßig ist eine Tätigkeit, die selbständig und in Wiederholungsabsicht ausgeübt wird. Es nimmt einem Erwerb nicht den Charakter der Geschäftsmäßigkeit, wenn die Absicht fehlt, einen Gewinn oder sonstigen Vorteil zu erzielen, oder wenn der Erwerb nicht zur Erfüllung (oder Sicherung) eines Leistungsanspruchs des Zessionars erfolgt, der in einem von dem Steuerrechtsverhältnis des Zedenten unabhängigen Lebenssachverhalt wurzelt, sondern lediglich einen Ausgleich für dem Zessionar anderweitig – z. B. durch eine arbeitsrechtliche Nettolohnvereinbarung – auferlegte steuerliche Lasten bewirken soll. Ebenso wenig nimmt es einem Erwerb den Charakter der Geschäftsmäßigkeit, dass der Zessionar einen zivilrechtlichen Anspruch auf eine Steuererstattung nur durch Erwerb des Erstattungsanspruchs realisieren kann.
Rz. 51
Für eine Wiederholungsabsicht spricht es, wenn – z. B. durch Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen – organisatorische Vorkehrungen für den Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen getroffen werden; diese stellen aber keine notwendige Voraussetzung für die Geschäftsmäßigkeit dar. Eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Geschäftsmäßigkeit spielt i. d R. die Zahl der Erwerbsfälle und der Zeitraum ihres Vorkommens. Vereinzelte, nur gelegentlich und anlässlich besonders begründeter Einzelfälle vorgenommene Abtretungen sind nicht als geschäftsmäßig anzusehen. Die Beantwortung der Frage, ob eine vereinzelte Abtretung von Erstattungsansprüchen anlässlich eines besonderen Falles vorliegt oder ob die Forderungen in Wiederholungsabsicht erworben worden sind, erfordert eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Das Verhältnis der Zahl der Abtretungen zu den von einem Steuerberater insgesamt bearbeiteten Lohnsteuerberatungsfällen ist ohne Bedeutung, weil eine Abtretung von Erstattungsansprüchen nur in den Fällen möglich ist, in denen solche bestehen und in denen hierfür aus der Sicht des Steuerberaters ein Bedürfnis besteht, weil seine Honorarforderung nicht als gesichert erscheint. Die Annahme geschäftsmäßigen Erwerbs bei 4 Abtretungen innerhalb etwa eines Jahres kann rechtlich unbedenklich sein. Allein der Umstand, dass dem FA die Abtretung verschiedener Steuererstattungsansprüche durch mehrere Abtretungsanzeigen jeweils nach der Entstehung des betreffenden Erstattungsanspruchs angezeigt wird, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass ein geschäftsmäßiger Forderungserwerb vorliegt. Denn die Abtretung von Erstattungsansprüchen kann durch eine einzige zivilrechtliche Einigung vorgenommen werden, aber gleichwohl – durch die jeweilige spätere Anzeige – erst in mehreren Teilschritten wirksam werden.
Rz. 52 einstweilen frei