Rz. 58
Nach § 46 Abs. 5 AO müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 4 AO nichtig ist. Die Regelung entspricht § 409 Abs. 1 S. 1 BGB und dient wie diese dem Schuldnerschutz. Sie soll die Finanzbehörde vor einer erneuten Zahlungsverpflichtung schützen, wenn sie an den in der Anzeige bezeichneten neuen Gläubiger geleistet hat, und ihr damit der Prüfung ersparen, ob die angezeigte Abtretung wirksam geworden ist. Die einmal erfolgte Anzeige kann in entsprechender Anwendung des § 409 Abs. 2 BGB nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, der darin als neuer Gläubiger bezeichnet worden ist.
Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 46 Abs. 5 AO ist, dass die Abtretungsanzeige dem Abtretenden zuzurechnen ist. Daran fehlt es, wenn die Anzeige von dem Abtretenden nicht unterschrieben oder seine darauf befindliche Unterschrift gefälscht worden ist. Das Gleiche hat zu gelten, wenn der Abtretende nur durch Vertreter wirksam handeln kann, es jedoch an der Unterschrift dieser Vertreter auf der Abtretungsanzeige fehlt. Hat der Abtretende dagegen eine formgerechte Abtretungsanzeige unterzeichnet und sie dem Abtretungsempfänger in der Weise überlassen, dass dieser zumindest tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Anzeige der Finanzbehörde zu übermitteln, kann er sich dem FA gegenüber auch dann nicht auf die Unwirksamkeit der Abtretung berufen, wenn es an der Bevollmächtigung zur Anzeige der Abtretung durch den Abtretungsempfänger bzw. zur Übermittlung der Abtretungsanzeige durch diesen als Boten fehlt. Denn die in § 46 Abs. 5 AO vorausgesetzte Unwirksamkeit der Abtretung kann sich auch daraus ergeben, dass die vorgeschriebene Anzeige an das FA zwar im tatsächlichen Sinne erfolgt, aber rechtlich nicht wirksam ist, weil es an der Bevollmächtigung des hierzu nach dem Gesetz nicht ermächtigten Abtretungsempfängers durch den Abtretenden fehlt.
§ 46 Abs. 5 AO schützt nicht den guten Glauben an die (unbeschränkte) Geschäftsfähigkeit des Abtretenden. Die Wirksamkeit der Anzeige setzt deshalb voraus, dass der Abtretende i. S. v. § 79 AO handlungsfähig war.
Rz. 59
Liegt eine dem Abtretenden zurechenbare Anzeige vor, braucht das FA im Übrigen die Wirksamkeit der Abtretung nicht zu prüfen. Es soll, wenn ihm die Abtretung angezeigt ist, grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Abtretungsempfänger leisten können, wenn es positiv weiß, dass die Abtretungsanzeige nicht der vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen unwirksam ist. Dem dagegen in der Literatur erhobenen Einwand, dass der Schuldner nicht mehr schutzwürdig sei, wenn er positiv wisse, dass die Abtretung unwirksam sei, wurde vom BFH der Wortlaut der Vorschrift entgegen gehalten, der mit den Worten "oder nicht wirksam ... ist" gerade auch den Fall einbeziehe, dass sich die Unwirksamkeit der Abtretung aus der für das FA ohne weiteres erkennbaren Nichteinhaltung der Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO ergebe. In einer neueren Entscheidung vertritt der BFH allerdings die Ansicht, dass der Finanzbehörde der Schuldnerschutz nach § 46 Abs. 5 AO gegenüber dem Zedenten nicht zugute komme, wenn sie trotz Kenntnis der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Abtretung an den Zessionar leiste. In dem zugrunde liegenden Fall war der Finanzbehörde ausdrücklich mitgeteilt worden, dass der Zedent trotz der Abtretungsanzeige Leistungsempfänger sein solle. Daraus dürfte der Schluss zu ziehen sein, dass die Schutzwirkung des § 46 Abs. 5 AO jedenfalls dann entfällt, wenn die Finanzbehörde positive Kenntnis nicht nur von den Umständen hat, aus denen sich die Unwirksamkeit der Abtretung ergibt, sondern sie sich der fehlenden Berechtigung des Abtretungsempfängers als solcher bewusst ist.
Rz. 60
§ 46 Abs. 5 AO gilt nur zugunsten der Finanzbehörde, nicht zugunsten desjenigen, der in der Anzeige als neuer Gläubiger bezeichnet worden ist. Hat die Finanzbehörde seine mangelnde Berechtigung nachträglich erkannt, hat dieser keinen Anspruch darauf, dass sich diese gegenüber dem Abtretenden auf die befreiende Wirkung der an ihn geleisteten Zahlung beruft und ihm diese belässt. Die Finanzbehörde kann stattdessen nochmals an den wahren Gläubiger leisten und die an den Scheingläubiger bewirkte Leistung nach § 37 Abs. 2 AO zurückfordern. Von welcher der beiden Möglichkeiten sie Gebrauch macht, steht in ihrem Ermessen. Bei dessen Ausübung dürfte insbesondere die rechtliche und wirtschaftliche Durchsetzbarkeit eines Rückforderungsanspruchs gegen den Zahlungsempfänger von Bedeutung sein. Ob darüber hinaus zu berücksichtigen ist, in welchem Maß die Unwirksamkeit der Abtretung für die Finanzbehörde erkennbar war, erscheint zweifelhaft, weil die Ermessensentscheidung damit von einem Gesichtspunkt abhängig gemacht würde, der für die Frage von Bedeutung ist, ...