7.1 Pfändung erst nach Entstehung des Anspruchs (Abs. 6 S. 1 und 2)
Rz. 65
Nach § 46 Abs. 6 S. 1 AO dürfen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine entgegen diesem Verbot erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sind nach § 46 Abs. 6 S. 2 AO nichtig. Hierdurch wird die nach den allgemeinen Vorschriften zulässige Pfändung künftiger Ansprüche ausgeschlossen. Damit soll es den Finanzbehörden erspart werden, sich schon vor der Entstehung des Anspruchs mit Pfändungsmaßnahmen auseinandersetzen zu müssen. Damit dient § 46 Abs. 6 AO demselben Zweck wie § 46 Abs. 2 AO, der die Wirksamkeit der Abtretung von einer nach Entstehung des Anspruchs erfolgenden Anzeige abhängig macht.
Rz. 66
Erlassen bzw. erwirkt ist ein Pfändungsbeschluss, wenn er – nach der abschließenden Zeichnung durch den Richter bzw. Rechtspfleger – aus dem internen Geschäftsgang des Gerichts zum Zwecke der Beförderung weggegeben worden ist. Der Zugang beim Gläubiger oder die durch diesen im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher zu bewirkende Zustellung an den Drittschuldner gehört dagegen nicht mehr zum Erlass des Pfändungsbeschlusses. Entsprechendes gilt für behördliche Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Die Vorschriften des § 46 Abs. 6 AO gelten auch für die Vorpfändung nach § 845 ZPO (vgl. Rz 16). "Erlassen" i. S. v. § 46 Abs. 6 S. 1 AO ist die Vorpfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs erst mit der von dem Gerichtsvollzieher bewirkten Zustellung der Benachrichtigung an das FA. Auf den Zeitpunkt der Übergabe des Schrifstücks an den Gerichtsvollzieher kommt es – anders als bei der Pfändung selbst – nicht an.
Rz. 67
Entstanden ist der Erstattungs- oder Vergütungsanspruch nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Erstattungsansprüche entstehen, sobald der Stpfl. Zahlungen auf Steuern, Haftungsbeträge oder steuerliche Nebenleistungen ohne rechtlichen Grund geleistet hat oder dieser später wegfällt (zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz 33).
Rz. 68 einstweilen frei
7.2 Finanzbehörde als Drittschuldner (Abs. 7)
Rz. 69
Nach § 46 Abs. 7 AO gilt bei Pfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs die Finanzbehörde, die über den Anspruch entschieden oder zu entscheiden hat, als Drittschuldner i. S. d. §§ 829, 845 ZPO. Entsprechendes muss auch für den Fall gelten, dass die Pfändung durch eine Verwaltungsbehörde im Wege der Verwaltungsvollstreckung erfolgt. Ohne diese Fiktion wäre Drittschuldner diejenige Körperschaft, der die Ertragshoheit über die zu erstattende oder zu vergütende Steuer zusteht. Dies würde insbesondere im Fall der Steuern, deren Aufkommen gem. Art. 106 Abs. 3 GG Bund und Ländern gemeinsam zusteht, zu kaum überwindbaren praktischen Schwierigkeiten führen. Aus der Drittschuldnereigenschaft der zuständigen Finanzbehörde folgt, dass diese im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss so genau bezeichnet werden muss, dass sie eindeutig individualisiert werden kann.
Rz. 70
Die Zuständigkeit richtet sich nach den Vorschriften der §§ 16ff. AO i. V. m. § 17 Abs. 2 FVG. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Bei Zustellung an eine unzuständige Finanzbehörde ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unwirksam. Die Weiterleitung an die zuständige Finanzbehörde ändert daran nichts. Ein einmal wirksam gewordener Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verliert seine Wirksamkeit nicht dadurch, dass die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung des Schuldners der gepfändeten Forderung auf ein anderes FA übergeht. Das neue FA gilt nunmehr gem. § 26 AO i. V. m. § 46 Abs. 7 AO als Drittschuldner des gepfändeten Anspruchs.
Rz. 71
Mit der (wirksamen) Zustellung des Pfändungsbeschlusses ist die Finanzbehörde nach § 840 Abs. 1 Nr. 1-3 ZPO verpflichtet, dem Gläubiger auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie die Forderung als begründet anerkennt und zur Zahlung bereit ist, ob und welche Forderungen andere Personen an die Forderung machen und ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist. Entsprechendes gilt für Pfändungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung. Das Steuergeheimnis steht der Erfüllung dieser Auskunftspflicht im Hinblick auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO nicht entgegen. Die schuldhafte Verletzung der Auskunftspflicht verpflichtet zum Schadensersatz.
Rz. 72
Ist derselbe Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist das FA als Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, den Schuldbetrag bei dem Amtsgericht zu hinterlege...