Rz. 3
Die Unmittelbarkeit liegt nach Abs. 2 auch dann vor, wenn in einer Körperschaft, die selbst nicht unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, nur Körperschaften zusammengefasst sind, die ihrerseits alle Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen erfüllen (Dachverbände, Spitzenverbände). Hierin liegt eine Ausnahme von dem in Abs. 1 normierten Grundsatz, dass steuerbegünstigtes Handeln eine unmittelbar eigene, auf die Verwirklichung der Satzungszwecke gerichtete Aktivität erfordert.
Rz. 4
Zwingende Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Abs. 2 ist, dass sämtliche in dem Verband zusammengeschlossenen Körperschaften gemeinnützig sind. Probleme bereitet dies dann, wenn einzelnen Mitgliedern die Gemeinnützigkeit – eventuell rückwirkend – entzogen wird. Nach hiesiger Auffassung lässt dies die Gemeinnützigkeit des Spitzen- oder Dachverbandes nicht entfallen, wenn er in angemessener Zeit auf die veränderte steuerliche Behandlung des Mitglieds reagiert, etwa indem die Körperschaft, die ihre Gemeinnützigkeit verloren hat, aus dem Verband ausgeschlossen wird (der Verband muss in seiner Satzung die rechtliche Möglichkeit hierzu schaffen), oder indem diese Körperschaft angehalten wird, sich die Anerkennung als gemeinnützig in einem begrenzten Zeitraum wieder zu verschaffen. Sofern die Satzung des Spitzen- oder Dachverbandes vorsieht, dass ein Mitglied bei Verlust der Gemeinnützigkeit automatisch ausscheidet, sind die Voraussetzungen von Abs. 2 gewahrt.
Rz. 5
Sofern ein Spitzen- oder Dachverband selbst unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, schadet die Mitgliedschaft eines nicht gemeinnützigen Vereins der Anerkennung als gemeinnütziger Körperschaft nicht. Der Spitzenverband darf dann den nicht gemeinnützigen (Mitglieds-)Verein nicht fördern (z. B. durch finanzielle Mittel oder durch Rechtsberatung), da er sonst den Bereich der Gemeinnützigkeit in seiner Tätigkeit verlässt.
Rz. 6
§ 57 Abs. 2 AO macht nur eine Ausnahme von dem Grundsatz des Abs. 1, dass die Körperschaft unmittelbar ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklichen muss. Setzt eine Steuerbefreiung zusätzlich voraus, dass die zu beurteilenden Leistungen unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute kommen müssen – so beispielsweise § 4 Nr. 18 UStG –, wird dieses Merkmal durch § 57 Abs. 2 AO nicht verdrängt. Spitzenverbände können daher nach § 57 Abs. 2 AO unmittelbar ihre Zwecke verwirklichen, ohne aber unmittelbar Leistungen an die Begünstigten zu erbringen. Der gemeinnützige Spitzenverband erfüllt damit wohl die Voraussetzung des § 4 Nr. 18a, nicht aber die des § 4 Nr. 18b UStG und ist daher insoweit nicht von der USt befreit.
Rz. 7
Von den Dachverbänden sind die reinen Holding-Körperschaften zu unterscheiden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihre Tätigkeit auf das bloße Halten der Anteile von gemeinnützigen Tochtergesellschaften beschränkt. Dachverbände und Holding-Körperschaften unterscheiden sich strukturell in ihrer Konzentrations- und Steuerungsfunktion. Während der Zusammenschluss bei Dachverbänden von "unten nach oben" geschieht, erfolgt dies bei einer Holding von "oben nach unten". Auf die Holding-Körperschaften findet § 57 Abs. 2 AO keine Anwendung.