Rz. 1

§ 61 Abs. 1 AO dehnt die Buchnachweisfunktion der Satzung entsprechend § 60 Abs. 1 AO auf den Grundsatz der Vermögensbindung[1] aus[2]: allein anhand der Satzung muss die Prüfung ergeben, dass das Vermögen bei Auflösung, Aufhebung oder Zweckfortfall zu einem steuerbegünstigten Zweck verwendet werden wird (sog. formelle Vermögensbindung). Der Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung bezweckt, dass das steuerlich begünstigt angesammelte Vermögen und die Erträge der steuerbegünstigten Körperschaft weiter für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden, wenn die Körperschaft selbst keine steuerbegünstigten Zwecke mehr verfolgt.

Folge der Anknüpfung an die Buchnachweisfunktion in § 60 Abs. 1 AO ist, dass weder auf außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen oder auf Regelungen in anderen Satzungen Bezug genommen werden darf noch auf die steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung verwiesen werden kann.[3] Mängel in der Bestimmtheit und unzureichende Auslegungsmöglichkeiten der Satzungsbestimmungen gehen zulasten des Satzungsverwenders.[4]

Die Regelung zur Vermögensbindung bezieht sich auf den Fall, dass die steuerbegünstigte Körperschaft aufgelöst oder aufgehoben wird oder dass ihr bisheriger Zweck wegfällt. Eine Aufhebung kommt nur bei Stiftungen in Betracht.[5] Da Vereine nicht aufgehoben werden können, ist die Nennung der Aufhebung im Rahmen der Regelung zur Vermögensbindung in der Satzung eines Vereins nicht notwendig.[6]

Die Satzung ist nur dann bestimmt genug gefasst, wenn in ihr der Name der steuerbegünstigten Körperschaft, an die das Vermögen fallen soll, angegeben wird mit der Bestimmung, dass das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden ist, oder, wenn ein steuerbegünstigter Zweck genannt wird, den eine noch unbenannte steuerbegünstigte Körperschaft oder juristische Person des öffentlichen Rechts verfolgt. Es ist nicht erforderlich, dass das Vermögen den gleichen steuerbegünstigten Zwecken zugeführt wird, die die Körperschaft selbst während ihres Bestehens verfolgt hat. Wird eine konkrete Körperschaft (Destinatär) angegeben, dann muss der Destinatär die Voraussetzungen einer gemeinnützigen Körperschaft erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Vermögensübertragung aufweisen.[7] Wird kein konkreter Destinatär, sondern ein Zweck angegeben, der nicht im Katalog des § 52 Abs. 2 S. 1 AO erfasst ist, etwa die Förderung weltanschaulicher Zwecke, müssen es die Angaben ermöglichen, im Einzelnen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 S. 2 AO vorliegen, also ob die Ziele die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördern.[8] Werden mehrere alternative Zwecke angegeben, die nicht alle gemeinnützig sind, ist anhand der Satzung nicht auszuschließen, dass das Vermögen für nicht gemeinnützige Zwecke verwendet werden wird.

Dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist nicht genügt, wenn die Vermögensbindung durch andere Weise sichergestellt werden soll, etwa durch Anwendung der §§ 87, 88, 46 BGB, wonach das Vermögen an den Fiskus fallen kann. Die wirksame Satzungsbestimmung kann auch nicht durch einen durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Mitgliederversammlung ersetzt werden.[9] Ebenso wenig genügt die Zustimmung, dass zur Verteilung des Vermögens die Zustimmung des FA erforderlich ist.[10]

Bei Zuwendungen an eine Empfängerkörperschaft mit Sitz im EU-Ausland muss auch die ausländische Körperschaft die Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung erfüllen, um die Voraussetzungen für den Spendenabzug zu schaffen.[11] Die Maßgeblichkeit des deutschen Steuerrechts verstößt insoweit nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG, nunmehr Art. 63 AEUV.[12]

 

Rz. 2

Abs. 2 enthielt Lockerungen vom strengen Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung, indem bei Vorliegen "zwingender Gründe" zu einem späteren Zeitpunkt über die Verwendung beschlossen und der Beschluss mit Bestimmung des FA ausgeführt werden durfte. Dieser Ausnahmetatbestand ist mit Wirkung zum 1.1.2007 aufgehoben worden.

 

Rz. 3

Abs. 3 regelt die Folgen, die eintreten, wenn die satzungsmäßige Vermögensbindung nachträglich geändert wird. Eine Änderung i. S. d. Vorschrift liegt erst vor, wenn die beschlossene Änderung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags im Vereins- oder Handelsregister eingetragen worden ist. Der satzungsändernde Beschluss des hierzu befugten Organs einer Körperschaft oder der Eintragungsantrag stellt für sich noch keine wirksame Änderung dar, da bis zur Eintragung die bisherige Satzungsbestimmung Gültigkeit behält.[13]

Die Vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn die tatsächliche Geschäftsführung trotz Fortbestehens der satzungsmäßigen Vermögensbindung gegen diese Vermögensbindung verstößt.[14] Verstöße der laufenden tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Mittelbindungsbestimmungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 – 3 AO können so schwerwiegend sein, dass sie einer Verwendung des gesamten Vermögens für satzungsfremde Zwecke gleichko...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge