Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
3.2.1 Unternehmen
Rz. 5
Ein Unternehmen i. S. d. § 75 AO ist eine organisatorische Zusammenfassung von Mitteln oder dauernden Maßnahmen, die der selbstständigen Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit dienen. Als Unternehmen kann also nicht ohne Weiteres jedes Unternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG genommen werden. Das verwendete Tatbestandsmerkmal "Unternehmen" ist nämlich nach Sinn und Zweck der Haftungsvorschrift auszulegen. Nach dem Grundgedanken der Vorschrift (vgl. Rz. 1) erfordert sie jedoch eine organisierte Grundlage für die Haftungsfolge. Wer ohne diese durch nachhaltige Umsätze zum umsatzsteuerlichen Unternehmer wird, hat noch kein Unternehmen i. S. d. § 75 AO. Das Unternehmen umfasst die gesamte wirtschaftliche Betätigung des Unternehmers, es kann dabei mehrere selbstständige oder unselbstständige Betriebe verschiedener Art enthalten.
Rz. 6
Die Art der wirtschaftlichen Betätigung ist hierbei grundsätzlich unerheblich. So kann z. B. ein Unternehmen in der Tour eines Transportsubunternehmers bestehen, die mit dem Transportfahrzeug auf den neuen Transportsubunternehmer übergeht. Als Unternehmen i. S. d. § 75 AO können auch landwirtschaftliche Betriebe oder freiberufliche Praxen sowie die Vermietung und Verpachtung verstanden werden. Maßgebend ist lediglich, dass sachliche oder organisatorische Mittel als wesentliche Grundlagen des Geschäfts anzusehen sind. Hieran kann es jedoch sowohl bei Freiberuflern (Ärzten, Anwälten, Steuerberatern) als auch bei Gewerbetreibenden (z. B. Schadenssachverständigen, ambulanten Gewerbetreibenden) fehlen, insbesondere wenn es bei Berufsanfängern an einer festen Praxiseinrichtung und einem ständigen Kundenstamm mangelt oder solche bereits aus der Art der Tätigkeit nicht erforderlich sind. Umgekehrt werden solche organisierten Mittel häufig auch bei Freiberuflern anzutreffen sein (z. B. umfangreiche Praxiseinrichtung eines Röntgenfacharztes). Kein übereignungsfähiges Unternehmen ist mehr gegeben, wenn die wesentlichen Betriebsgegenstände im (Sicherungs-)Eigentum Dritter stehen und eine Insolvenzeröffnung deswegen mangels Masse abgelehnt wird. Bei der Vermietung und Verpachtung fehlt es an der Unternehmerqualität i. S. d. § 75 AO, wenn sie rein vermögensverwaltend ist.
3.2.2 Gesondert geführter Betrieb
Rz. 7
Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn eine mit einer gewissen Selbstständigkeit versehene für sich lebensfähige Einheit besteht, die unabhängig von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmers betrieben worden ist und nach außen hin als in sich organisch geschlossenes, selbstständiges Wirtschaftsgebilde in Erscheinung getreten ist. Der Begriff entspricht mit der vom BFH angewendeten betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise dem des Teilbetriebs i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, so dass die von der Rspr. zu dieser Vorschrift entwickelten Merkmale berücksichtigt werden können. Dieser Teilbetrieb muss bis zur "Übereignung" Gliederungsteil eines Unternehmens gewesen sein. Er muss selbstständig lebensfähig sein. Lebensfähig ist ein Teil des Gesamtbetriebs, wenn von ihm seiner Struktur nach eine eigenständige betriebliche Tätigkeit ausgeübt worden ist.
Rz. 8
Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn eine organisatorische Trennung durch eine selbstständige Geschäftsführung für jeden Geschäftszweig besteht. Diese Selbstständigkeit wird z. B. Ausdruck in einer getrennten Buchführung finden. Hier wird deutlich, dass jeder Betriebszweig wirtschaftlich voneinander unabhängig ist. Wird keine Kontentrennung für jeden Geschäftszweig vorgenommen, so spricht dies i. d. R., jedoch nicht zwingend, gegen die Annahme eines gesondert geführten Betriebs. Andererseits reicht die Einheitlichkeit der Buchführung zur Ablehnung der Selbstständigkeit nicht aus, wenn andere wicht...